Psychosophie

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In der Begegnung mit anderen Menschen können wir uns selbst und andere besser verstehen lernen. Wenn wir miteinander sprechen, begegnen sich subjektive Welten. Vielleicht entstehen daraus Einsichten, die für das je eigene Leben von Bedeutung sind.

Dienstag, 30. Juni 2009

Nachtrag zur Schöpfungsgeschichte

Eigentlich wollte ich ja nur wissen, woher die Bezeichnung "Ajatollah" kommt... na, jetzt weiß ich es.
Es steht im Nachtrag zur Schöpfungsgeschichte... einer wenig bekannten höchst geheimen Schrift. Also... Am achten Tag schuf Gott die Naturreligionen und so. Da fehlte aber etwas, also kam am neunten Tag das Judentum. Aber die wollten den Namen "..." nicht aussprechen, also musste eine neue Religion her. So entstand am zehnten Tag das Christentum. Abends ging Gott dann mit seinem Sohn spazieren, der Wein war ja (passend zum Abendmahl) ebenfalls schon erfunden. "Das mit der Gewaltfreiheit und dem Kreuz nimmt uns doch keiner ab...", meinte Jesus. Und da die beiden gerade in der Pfalz weilten, meinte Gott: "Allah gut, dann muss eben noch was Neues her". Und so entstand am elften Tag der Islam. "Sowas wie die Apostel will ich aber auch," meinte Mohammed und stupste zur musikalischen Untermalung den himmlischen Chor an. "Aja! Tollah Vorschlag..."
Ja, so war das...

Die Panzerknacker von Crailsheim

Also, dees isch wohl echt a bissle domm gloffa. Oiner hat emol a Schloss uffglasse, des hätt mr bloss verdräha missa. Isch halt vrgessa worda. On jetzt... fählat halt a paar Pischdole aus em Ratheisle. En Crailsheim. Also... net dass do jetzt Oiner uff dia Idee kommt, Amok z'laufe...

Des kann aber au en Trick gwäsa sei... die Schwoba sen nämlich schlau. Dr Schlissel war zwar em Schublädle... aber wer woiss, vielleicht war Mercurochrom druff?

Sicher isch emol: wer Amok laufe will, muss erschtemol bei dr Polizei vorbeikomma. Dann senn schomal die Fengerabdrick do, ohne dass mr mit emma deira Mercedes viele Kilometer faare muss. Benzin koscht schließlich au Geld. Dees vom Steierzahlr. On spare missa mr doch au...

So. On jetzt verrote mr no den nägschde Trick: des Zahleschloss isch wiedr verdräht. On die nägschde Panzerknacker, die Amok laufa wellat - die nemma mr dann feschd. Im Korbus delikti mensa policiae flagranti. Der Korb... der isch em Schrank. Damit en koiner glaut.

Des glaubt jetzt widr koi Mensch... also: wer bloss glaubt, was er sieht... DO GUGGSCH...


Montag, 29. Juni 2009

Gefallen

von bösen fingern grausam ergriffen
zerknittert bereits und kreidebleich
als wehrloses opfer blass wie `ne leich

von spuren gezeichnet, das messer geschliffen
ein schnitt und ein schnitt
und dann ein tritt

am boden, gefallen, irgendwo in der schweiz
ein schandfleck der landschaft, die sonst so voll reiz
verbrechen am wegrand, im parkrevier

da lag er, der winzige fetzen papier

Freitag, 26. Juni 2009

Kann eine Wahlfälschung rational sein?

Gehen wir einmal von einer typischen Wahl in Europa aus... wenn einer auf die Idee käme, seine verstorbene Oma zur Wahl zu schicken, zweimal mit verschiedenen Ausweisen abstimmen wollte... das würde auffallen. Im großen Umfang eine Wahl zu fälschen - kaum vorstellbar. Und wenn irgend etwas nicht stimmt, sagen wir, weil durch ein Unwetter mehrere Wahlurnen im Wasser ertränkt worden wären... dann müsste die Wahl eben wiederholt werden. Ohne Wenn und Aber. Nun sieht es aber so aus, als ob im Iran eine Wahl bewusst gefälscht wurde - gezielt. Mit Mitteln, die wir als unangemessen, undemokratisch ansehen. Und dann wird - zwei Wochen danach - allen Ernstes behauptet, die Wahl wäre völlig in Ordnung. Alles sei überprüft worden... Wer glaubt so etwas und - wer glaubt, dass es einer glaubt?
Zwei Dinge sind daran auffällig: zum einen ist es (vorausgesetzt, die Sache mit der Fälschung stimmt) eine dreiste Lüge, der Versuch, die ganze Welt für dumm zu erklären. Zum anderen ist es eine Logik, hinter der nur eines stehen kann: die Überzeugung, dass das iranische Volk zu dumm ist, um über die eigenen Geschicke zu entscheiden. Priesterliche Fürsorge also für ein Volk, das droht, dem Falschen hinterherzulaufen? Nun ja, wenn der Zweck die Mittel heiligt, dann ist es natürlich logisch, dass man auch einmal ein bisschen mogeln muss, um den "Richtigen" zu unterstützen. Nach dem Motto: was nicht passt, wird eben passend gemacht... Es kommt dann aber noch eine weitere Voraussetzung hinzu: die Vorstellung, dass ein Einzelner besser als das ganze Volk wissen kann, was für das Volk gut ist.
So ungefähr müssen manche Ajatollahs denken - und daraus das Recht zu jeder Form von Gewalt ableiten, ob es nun Prügel sind oder die Todesstrafe.
Aus unserer Sicht ist das alles ungerecht und brutal. Die Frage ist, was bedeutet denn im Islam Gerechtigkeit? Gerechtigkeit ist, "Dinge an ihre rechtmäßigen Plätze zu bringen" - und stellt im Islam einen hohen sittlichen Wert dar. Immerhin: wenn man davon überzeugt ist, dass Ahmadineschdad als Präsident "am rechtmäßigen Platz" ist, auch wenn es dafür keine Mehrheit im Volk geben sollte - dann ist das systemimmanent noch irgendwie "logisch". Aber "heiligt" der Zweck dann jedes Mittel?
Gewalt lässt sich im Islam legitimieren als "Kampf gegen Ungläubige" - und es gibt direkte Aufforderungen zur Gewaltanwendung im Koran . Andererseits fand ich auch eine ganz andere Auffassung, die Islam und Gewalt als unvereinbar beschreibt.
Kulturell gibt es auf jeden Fall klare Unterschiede zwischen dem christlich geprägten Abendland und dem islamisch geprägten Orient. Interessant ist in diesem Zusammenhang das Bemühen um einen Dialog - mit seiner Idee, den Islam innenpolitisch den christlichen Kirchen gleich zu stellen, stößt Wolfgang Schäuble allerdings im Moment wohl auf wenig Zustimmung....

Für die Frage einer möglichen Demokratie im Iran (nach westlichen Vorstellungen) sind diese Unterschiede auf jeden Fall relevant - dort, wo religiöse Vorstellungen über die Politik dominieren, muss die Diskussion zuerst auf dem Boden der Theologie geführt werden. Innerhalb des Islam stellt sich die Frage, ob die "Dinge am rechten Platz sind", wenn ein Ajatollah darüber bestimmt, wer Präsident sein soll und sich dabei eben auch das Recht heraus nimmt, eine Wahl zu fälschen. Ausgehend von unseren Vorstellungen von Demokratie ist es einfach unmöglich, auf Leute einzuprügeln, nur weil sie eine andere Meinung vertreten. Wenn in Bayern einer mit einem gelben Fähnchen wedelt und lieber Guido Westerwelle als Bundeskanzler haben will, weil er den viel netter findet als Angela Merkel, wird man ihn deshalb nicht gleich erschießen... Betrachtet man ihn jedoch als Ungläubigen, gegen den man (je nachdem, welche religiöse Haltung man vertritt) zur Not eben auch mit Gewalt vorgehen darf, sieht die Sache anders aus.

Weiter gedacht stellen sich viele Fragen: ist der Islam mit den Menschenrechten vereinbar? Kann es (aus der Sicht des Islam) gerecht sein, die Menschenrechte zu verachten? Ist es aus der Sicht des Islam vertretbar, anderen die eigene Meinung aufzuzwingen, notfalls mit Gewalt?
Betrachtet man die Konflikte zwischen der momentanen Regierung im Iran und der westlichen Welt, prallen weltliche Vorstellungen von Demokratie und religiös geprägte Denkmuster aufeinander, die einer ganz anderen Logik folgen - und für uns zu völlig unhaltbaren Konsequenzen führen. Vorgehensweisen, die nicht akzeptabel sind, weil sie die Freiheit missachten und damit aus westlicher Sicht eben ungerecht sind. Ob es für die Muslime nun "religiös korrekt" ist oder nicht - die gewalttätige Auseinandersetzung im Iran macht auch den Islam höchst unsympathisch...
Als Weltbürger können und dürfen wir Stellung beziehen und deutlich sagen, dass wir die Gewalt im Iran nicht in Ordnung finden. Gleichzeitig aber kann die Frage, wie aus der Theokratie im Iran eine Annäherung an "mehr Demokratie" möglich wird, nur aus dem Islam selbst beantwortet werden. Soweit also mein persönliches Resumée... Was die Aussenminister der G8-Staaten dazu meinen, geht ebenfalls in diese Richtung.




Proteste im Iran: Konfliktanalyse

Bevor ich mit meiner Analyse beginne, möchte ich zwei Dinge vorausschicken: die Betrachtung erfolgt aus der Perspektive eines Menschen, der in Deutschland aufgewachsen ist. Und - die Quellen, auf die ich mich beziehe, sind öffentliche Medien und das Internet.
Spätestens seit der Forderung, über die Anführer der Protestbewegung die Todesstrafe zu verhängen ist nicht mehr zu übersehen, dass einige Leute im Iran die Dinge aus einer ganz anderen Perspektive betrachten.

Worum geht es eigentlich?

Zunächst einmal scheint es um die Wahl des Präsidenten Ahmadineschdad am 12. Juni 2009 zu gehen, der offiziell 62,6 Prozent der Stimmen bekam. Der unterlegene Gegenkandidat Mussawi erhob Einspruch - die Wahl sei manipuliert.
Am Tag nach der Wahl kam es bereits zu gewalttätigen Ausschreitungen - die Behörden in Teheran erlassen ein Demonstrationsverbot.

14.Juni 2009
International kommen Zweifel am Wahlergebnis auf.
US-Außenministerin Hillary Clinton will den Vorwürfen des Wahlbetrugs, vermeidet ebenso wie Präsident Obama eine offizielle Anerkennung der Wahl. Die EU äußert sich besorgt über die "angeblichen Unregelmäßigkeiten bei der Wahl". Der israelische Außenminister Liebermann problematisiert das Atomprogramm im Iran und wirft dem Staat Iran die Unterstützung der Hisbollah und der Hamas vor.
Der deutsche Bundesaußenminister Steinmeier schaut "mit Sorgen in den Iran" und fordert zur Aufklärung der Wahlhintergründe auf. Peter Mezger berichtet über die Arbeitsbehinderungen, die er ebenso wie sein Kollege vom ZDF erfährt. Mussawi habe beim Wächterrat eine Annulierung der Wahl beantragt und gleichzeitig eine friedliche Großdemonstration genehmigt bekommen.

15. Juni 2009
Korrespondenten im Iran werden behindert - Berichte über Proteste und Unruhen sind verboten. Bundesaußenminister Steinmeier protestiert dagegen und bestellte den iranischen Botschafter ein.

20. Juni 2009
Neda Agha-Soltan stirbt während einer Demonstration gegen die Wahlfälschung in Teheran auf offener Straße durch einen Schuss in den Hinterkopf.

22. Juni 2009
Demonstranten in Teheran fordern die Neuauszählung der Wahl.
Bemerkungen des Wächterrats, es seien einige Millionen Stimmen zuviel gezählt worden, werden zurückgezogen. Neda wird zum Symbol des Widerstands.

23. Juni 2009
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon fordert ein Ende der Gewalt gegen Oppositionelle im Iran. Die Regierung in Teheran weist die Forderung zurück - der Generalsekretär solle sich nicht in die inneren Angelegenheiten des Iran einmischen.

24. Juni 2009
Barack Obama verurteilt die Gewalt im Iran - interessant ist dabei der Kommentar von Hanni Hüsch aus Washington. Obama machte deutlich, dass er die staatliche Souveränität des Iran respektiere - und verzichtete auf die Forderung, die Stimmen müssten neu ausgezählt werden.
Mussawi fordert ein unabhängiges Kommitee zur Prüfung der Präsidentenwahl.

25. Juni 2009
Mussawi kündigt weitere Proteste an. Die Arabischen Staaten verhalten sich Ahmadineschdad gegenüber skeptisch: er habe sein eigenes Land im Innern gespalten. So steht es in der Presse, die Politiker halten sich zurück.
Von 15 Groß-Ajatollahs stellen sich vier hinter Mussawi - nur der Ajatollah Chamenei steht als geistlicher Führer hinter Ahmadineschdad.
Bundeskanzlerin Merkel nimmt auf der Islamkonferenz Stellung: Deutschland stehe auf der Seite derer, die friedliche Demonstrationen wollten. Wenn es bei Wahlen Unklarheiten gebe, sei es wichtig, die Wahl zu überprüfen.
Ahmanideschdad fordert Obama auf, sein Bedauern über die Einmischung in die Angelegenheiten des Iran auszudrücken - "so, dass das iranische Volk davon erfährt".

26. Juni 2009
Zwei Wochen nach der Wahl bestätigt der Wächterrat das Wahlergebnis. Gleichzeitig heißt es in der Tagesschau, eine freie Berichtserstattung über die Demonstrationen sei nicht mehr möglich.
Sondergerichte werden im Iran eingerichtet - die Justiz droht mit "examplarischer Härte gegen Demonstranten"

Soweit die Zusammenfassung der Ereignisse, weitere Einzelheiten und Hintergründe finden sich auf den Informationsportalen der Nachrichtensender. Dass an der Präsidentenwahl vom 12. Juni salopp gesagt "etwas faul" ist, daran zweifelt wohl niemand. Stellungnahmen aus verschiedenen Ländern zeigen Skepsis, Vertreter westlicher Demokratien nehmen mehr oder weniger deutlich Stellung gegen die gewalttätige Vorgehensweise gegen Demonstranten. Hier geht es nicht einfach um eine Wahl, hier geht es um Grundrechte - es bedeutet aber auch, dass "unsere" Vorstellung von Demokratie auf ein Land projiziert wird, das anders organisiert ist und anderen Prinzipien folgt. Noch jedenfalls.
Der US-Präsident wurde kritisiert, er sei nicht deutlich genug - er müsse Stellung beziehen, was er schließlich auch tat. Rational wird seine Zurückhaltung aber aus einer diplomatischen Perspektive, die das Gespräch als Möglichkeit im Auge behält. Nach dem der (offensichtlich aus unserer Sicht zu Unrecht noch amtierende) Präsident Ahmanideschdad Obama kritisiert und zu einer Entschuldigung aufgefordert hat, ist die Option, eine neutrale Vermittlerrolle übernehmen zu können, wohl verloren gegangen. Wahrscheinlich ordnet Ahaminedeschdad Obama, die UN und Europa längst im Lager seiner Gegner ein. Der schwierige Punkt (auf weltpolitischer Ebene) ist die Frage der Souveränität. In den Augen der Weltöffentlichkeit haben wir eine Scheindemokratie vor uns, die ein autoritäres System kaschieren soll, mit ihrem Umgang und ihrer Haltung zu Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit und Wahlrecht, freier Meinungsäußerung, kurz: den Grundrechten und Menschenrechten alles andere als glaubwürdig ist.

Es gibt eine zentrale Instanz, die die Übertragung unserer Vorstellungen auf den Iran fragwürdig erscheinen lässt: den Wächterrat. Wenn man sich die Machtposition des geistlichen Führers vor Augen hält, der Vertreter ernennen kann, den Chef der iranischen Justiz beruft und damit ein Gremium kontrolliert, das Beschlüsse des Parlaments zu Fall bringen kann - dann bezeichnet der Begriff Theokratie präziser als alles andere den Kern des Konflikts. Es geht (so betrachtet) nicht einfach um eine Wahl, es geht um die Grundlagen der iranischen Verfassung. Die Demonstrationen zeigen den Willen des Volkes nach "mehr Demokratie" - und die Angst vor der Gewalt, die durch die Miliz ausgeübt wird. Letzten Endes aber geht es um den drohenden Machtverlust des Islam, genauer seiner religiösen Vertreter, die in sich bereits gespalten sind. Ob sich die Missachtung des Volkswillens und der Versuch, einen Wunschpräsidenten des obersten religiösen Führers mit Gewalt an der Macht zu halten, mit dem Islam vereinbaren lässt, das mögen bitte die Iraner selbst entscheiden. Zumindest scheinen einige Ajatollahs damit bereits Probleme zu haben.
Die Frage ist, wie sich andere Länder dem Iran gegenüber verhalten sollten. Keine Frage: Menschenrechtsverletzungen zu kritisieren, Gewalt zu verurteilen und die Presse- und Berichtsfreiheit einzufordern, darüber besteht wohl ein sehr breiter Konsens. Es wird zu Recht von führenden Politikern erwartet, dass sie hier Stellung beziehen. Das Kernproblem betrifft aber einen Staat, der eben nicht konsequent nach den Prinzipien westlicher Demokratien organisiert ist. Souveränität bei all dem zu respektieren bedeutet konkret: die Menschen im Iran müssen ihren eigenen Weg finden. Es wird nicht leicht sein, sich aus der Theokratie zu lösen - freie und gerechte Wahlen wird es erst wirklich geben können, wenn die Macht des Wächterrats gebrochen ist. Nachdem die Glaubwürdigkeit bereits schwer gelitten hat (und ich glaube, das ist auch aus der Sicht der Iraner eine Tatsache), wird auch die Institution als solche früher oder später fallen. Der Prozess selbst aber ist eine interne Angelegenheit - die Bewegung muss aus dem Iran selbst kommen. Wir, die wir in anderen Verfassungen leben, mit Selbstverständlichkeiten, die im Iran nicht gelten, sollten uns hier zurückhalten.
Insgesamt also neige ich zur Auffassung von Bahman Nimurand. Früher oder später wird jeder noch so autoritär und dogmatische Führer erkennen müssen, dass man vielleicht im eigenen Land Rechte einschränken und Menschen das Wort verbieten, unter Zwang regieren kann. Aber das Internet ist Realität. Was auch immer im Namen Allahs an Unrecht getan wird - die ganze Welt erfährt davon. Die Welt ist ein Dorf.

Donnerstag, 25. Juni 2009

Überlebensstrategie

(in memoriam neda)

tu stets das, was man dir sagt
auch wenn es dir gar nicht behagt
tu niemals dein missfallen kund
im zweifelsfalle: halt den mund

tu alles, was man von dir will
und halt bei allem übel still

angepasst und unselbständig
bleibt der mensch nicht sehr lebendig
doch wird man brave streber loben
sie fallen schnell und leicht nach oben

wer selbst denkt und will freiheit leben
bezahlt vielleicht mit seinem leben

Die Freiheit ist ein wundersames Tier

Das Tier im Zoo: Georg Danzer über die Freiheit. Wenn man sie einsperrt... bitte selbst hören.



Wer leiten, führen, beraten, erziehen, herrschen, regieren will, kann das nur, wenn jene, die geleitet, geführt, beraten, erzogen, beherrscht, regiert werden sollen, freiwillig folgen. Das scheint sehr schwer verständlich zu sein... Dort, wo die Freiheit fehlt, NEIN zu sagen, verschwindet sie wie das wundersame Tier im Zoo. Was bleibt, ist strukturelle und personale Gewalt.

Mittwoch, 24. Juni 2009

Sprich in mein rechtes Ohr

Die Sprache ist gelegentlich recht aufschlussreich... da gibt es Redewendungen wie "auf einem Ohr taub sein" oder die bekannte Klage von Eltern, die Kinder hätten ihre Ohren "auf Durchzug gestellt"... Auf jeden Fall gibt es zu diesem Thema eine neue Studie, die ich hier kurz vorstellen möchte.
Wir machen dazu einen kleinen Ausflug nach Italien, nach Chieti genauer gesagt. An der Universität "Gabriele d'Annunzio" untersuchten Dr. Luca Tommasi and Daniele Marzoli in einer Serie von drei Studien, ob es einen Unterschied macht, auf welches Ohr eine Äußerung trifft. Zum Verständnis muss vielleicht kurz die Hemisphärenasymmetrie erwähnt werden - die rechte Hirnhälfte ist für die linke Körperseite zuständig und umgekehrt. Die Forschung zu Sprachzentren im Gehirn hat bereits eine längere Tradition, vereinfacht gesagt ist eher die linke Hirnhälfte für Sprache zuständig. So gesehen liegt die Vermutung nahe, dass das rechte Ohr eher geeignet ist, sprachliche Reize aufzunehmen und zu verarbeiten. In der Tat zeigte sich in den Studien, dass das rechte Ohr bevorzugt wird - die Wahrscheinlichkeit, dass eine Aufforderung aufgenommen und umgesetzt wird, ist größer, wenn sie auf das rechte Ohr trifft. Nun könnte man einwenden, das wäre ja wohl eine Laborstudie gewesen, die man auf den Alltag nicht übertragen könne... stimmt aber nicht.
In der ersten Studie ging es um einen Club, laute Musik im Hintergrund, das bedeutet also, man muss schon etwas näher kommen, wenn man sich verständlich machen will. 286 Personen wurden untersucht - und dabei erfolgten 72 Prozent der Ansprachen in das rechte Ohr. Die Schlussfolgerung, dass NUR das rechte Ohr angesprochen wird, wäre falsch, aber die Präferenz ist deutlich und stimmt mit den Laboruntersuchungen überein.
In der zweiten Studie ging es um eine Anfrage: "kann ich mal eine Zigarette haben?" (so ungefähr, aus dem Italienischen frei übersetzt). Die Frage war, welches Ohr der oder die Angesprochene zur Verfügung stellt... 58 Prozent (von 160 beobachteten Personen) näherten sich mit dem rechten Ohr, 42 Prozent mit dem linken. Auch hier zeigte sich also: das rechte Ohr wird bevorzugt.
In der dritten Studie wurde direkt das linke oder rechte Ohr angesprochen: bei 176 Versuchspersonen zeigte sich, dass sie statistisch signifikant mehr Zigaretten bekamen, wenn das rechte Ohr angesprochen war. Insgesamt ziehen die Forscher den Schluss, dass die Präferenz der linken Hirnhälfte für sprachbezogene Kommunikation bestätigt ist, ebenso dass Annäherungs- und Vermeidungsverhalten stärker über die linke Hirnhälfte gesteuert werden.

Etwas nachdenklich bin ich schon geworden... die klassischen Festnetztelefone (vor allem die alten Wählscheiben) waren so konzipiert, dass die Wählscheibe am besten mit der rechten Hand zu bedienen war - der Hörer landet dann links, also eher auf dem "falschen Ohr". Wenigstens wird jetzt nachvollziehbar, warum manche Leute ihr Telefon auf die linke Seite stellen oder ihr Handy an das rechte Ohr halten. Möglicherweise gibt es aber auch individuelle Unterschiede - vielleicht bevorzugt der eine oder die andere nun doch das linke Ohr, auch wenn das nicht bedeuten muss, dass die Hirnhälften vertauscht sind... Zumindest gibt es Hinweise darauf, dass die linke Hirnhälfte meistens für die Sprachverarbeitung zuständig ist, die rechte Hälfte aber nicht ganz unbeteiligt ist und bei manchen Menschen sogar die wichtigere Hälfte sein kann. Wie auch immer, vielleicht wäre es interessant, einmal zu beobachten, welches Ohr sich besser zum Telefonieren eignet - und ob die Kinder eher reagieren, wenn sie die Aufforderung, die Hausaufgaben zu machen (oder ähnliches) in das rechte Ohr geflüstert bekommen.

Quelle:
Science Daily. 23/06/2009. Need Something? Talk To My Right Ear
Die Studie im Original:
Marzoli et al. Side biases in humans (Homo sapiens): three ecological studies on hemispheric asymmetries. Naturwissenschaften, 2009; DOI: 10.1007/s00114-009-0571-4

Dienstag, 23. Juni 2009

Argumentationsfiguren

Ich falle nicht mit der Tür ins Haus...
...denk' mir eine Begründung aus,
...erkläre, warum man folgen sollte,
...bevor ich sage, was ich sagen wollte -
denn darauf will ich ja hinaus!

Wenn ich was zu sagen hätte...
...finge ich ganz langsam an,
...es folgte schließlich und sodann
...Schritt für Schritt
in einer Kette.

Wie gewachsen ist der Schnabel...
...kann man sprechen,
...so dass es die Ohren der Hörer erreicht,
...berücksichtigt, dass keine Situation der andern gleicht.
Diese Form nennt man auch Gabel.

Wie ich Widerspruch vertexte?
Die einen sehen es so.
Die anderen stehen anderswo.
Vielleicht gibt's eine Synthese als conclusio?
Fertig ist die Dialexe.

Wenn das Denken das Sprechen begleitet...
...wird erstmal sachte eingeleitet,
...dann entwickelt und entfaltet.
Klarheit dann im Denken waltet.
Damit das Hören Spass bereitet.

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s. auch Klären, Streiten, Kämpfen, Entwerfen

Montag, 22. Juni 2009

Unfreiwilliges Schweigen

ein frosch, den grosse sehnsucht plagte
sich hüpfend auf die strasse wagte
das andre ende wollt er sehn
versäumte es, nach links zu sehn

überfahren von ner alten karre
verfiel er gleich in laichenstarre
die karre war im wohl zu stark
verschwiegen blieb das wörtchen: qauk!

die weisheit er ins grabe trug:
blind loszuhüpfen ist nicht klug...

Sonntag, 21. Juni 2009

Wilhelm Schmid über die Klugheit

Was ist eigentlich Klugheit? In seiner "Philosophie der Lebenskunst" beschreibt Wilhelm Schmid 7 Begriffsmomente, die zur Klugheit gehören. In der Hoffnung, seine Überlegungen etwas leichter verständlich zu machen, möchte ich diese Begriffsmomente etwas vereinfachen und als handlungsleitende Prinzipien darstellen.

1. Eigeninteresse: "Tue das, was deinem eigenen Interesse nützt"

"Eigeninteresse" setzt er dabei nicht mit "Egoismus" gleich: "Eigeninteresse ... bedeutet, dass es einem Selbst um sich und sein eigenes Leben geht, dass es davon ausgehend seine Interessen vertritt und dafür auch Nachteile in Kauf nimmt" (PHL, S. 222).

2. Aufgeklärtes Eigeninteresse: "Bedenke, was für andere und im Zusammenhang gut ist"

Die eigenen Interessen unüberlegt und unsensibel zu verfolgen, wäre unklug... das aufgeklärte Eigeninteresse besteht also in einer Erweiterung des Horizonts, in dem nicht nur das Umfeld, sondern auch die Zusammenhänge berücksichtigt werden.
"Klugheit ... verkörpert das Wissen davon und das Gespür dafür, was nicht nur jeweils 'für mich' gut ist, sondern was 'im Zusammenhang' gut ist." (PHL, S.223).

Dazu gehören vier Aspekte:
a) die Rücksicht
b) die Umsicht
c) die Vorsicht
d) die Voraussicht

Wie könnte die praktische Umsetzung dieser Gedankengänge aussehen? Welche Fragen können hilfreich sein, wenn es etwa darum geht, kluge Entscheidungen zu treffen?
"Rücksicht" scheint zunächst auf "Rücksichtnahme" zu deuten, gemeint ist aber eher der "Rückblick", was sich aus der Beschreibung "retrospektiver Aspekt" ergibt. Eine Entscheidung ist im Sinne der Rücksicht (nach W.Schmid) also klug, wenn sie die Zusammenhänge in ihrer Entstehung und die eigenen Erfahrungen be-rücksichtigt. Fragen könnten sein: wie habe ich in ähnlichen Situationen bisher gehandelt und welche Erfahrungen habe ich damit gemacht? Wie sind die Zusammenhänge, in denen ich lebe, historisch entstanden, gewachsen, wie haben sie sich verändert?
"Umsicht" bezieht sich auf die aufmerksame Wahrnehmung - kluge Entscheidungen beruhen dann auf einer möglichst umfassenden und genauen Analyse der Realität. "Vorsicht" bezieht sich auf Gefahren, die erkennbar oder zu erwarten sind... die "Voraussicht" bezieht sich auf Möglichkeiten, die real gegeben sind oder vorbereitet werden können.

Fragen, die zu klugen Entscheidungen führen können, sind also zusammengefasst:
  • Was ist (jetzt)?
  • Was ist wie geworden?
  • Was könnte geschehen?
  • Welche Möglichkeiten sind jetzt gegeben und welche könnten sich ergeben?

3. Selbsterhaltungsprinzip der Klugheit: "Achte auf die Zusammenhänge, in denen du lebst, und auf die Möglichkeiten, über die du verfügst" (PHL, S.223).

Spätestens hier dürfte deutlich sein, dass mit "Eigeninteresse" keinesfalls gemeint ist, einem Lebensprinzip zu folgen, das da lautet "ich bin wichtig und alles andere ist egal". Wenn ich Wilhelm Schmid richtig verstehe, ist völliges politisches Desinteresse und das Ausblenden gesellschaftlicher Zusammenhänge alles andere als klug (auch im eigenen Interesse). "Da die gesellschaftlichen Verhältnisse auf das Selbst zurückwirken, wäre es höchst unklug, sie in eine Richtung treiben zu lassen, die das eigene Leben des Selbst in Frage stellen könnte" (PHL, S. 224).

4. Umkehrgebot der Klugheit: "Berücksichtige das Eigeninteresse anderer in derselben Weise, wie du das eigene geltend machst" (PHL, S. 224)

Das Umkehrgebot kommt wohl so manchem irgendwie bekannt vor... als Goldene Regel, als kategorischer Imperativ bei Kant, der Wechsel der Perspektive hat Tradition. Voraussetzung dafür ist, dass "ein Selbst sich von der eigenen Perspektive zu lösen vermag, um den Perspektiven Anderer in seinem Denken und Handeln Rechnung zutragen" (PHL, S. 224). Klingt einfach, dürfte aber nicht immer gelingen - und dazu führen, dass eigene Interessen eben letzten Endes oft doch nicht besonders klug verfolgt werden...

5. Überheblichkeitsverbot der Klugheit: "Überhebe dich nie über Andere, um sie nur zum Mittel für eigene Zwecke zu missbrauchen" (PHL, S. 225)

6. Die konzentrischen Kreise der Klugheit: "Erweitere deinen Horizont"

Im Prinzip geht es hier um eine zunehmende Erweiterung des Horizonts in sozialer, räumlicher und zeitlicher Hinsicht. Immer mehr mitzudenken, immer mehr einzubeziehen... nicht nur die eigene Person, sondern immer mehr andere Menschen bis hin zur Weltgemeinschaft. Nicht nur die eigenen vier Wände, sondern immer mehr "Umgebung" bis hin zur Erde als Ganzes. Nicht nur die Gegenwart und die unmittelbare Zukunft, sondern immer mehr auch die Folgen des je eigenen Handelns für kommende Generationen in den Blick bekommen. Auch hier schwingt das Umkehrgebot indirekt mit, wenn es um das Leben künftiger Generationen geht, "denen die Sorge im selben Maße gilt, wie das Selbst die Sorge früherer Generationen für sich in Anspruch nimmt, sie jedenfalls gerne in Anspruch genommen hätte" (PHL, S. 226).
Klug also ist jemand, so könnte man im Sinne von Wilhelm Schmid sagen, der seinen Horizont zunehmend erweitert und aus aus einem zunehmend erweiterten Horizont immer klüger zu handeln vermag, weil immer mehr Aspekte, Folgen, Zusammenhänge und Konsequenzen berücksichtigt werden.

7. "Finde in vielerlei Hinsicht das richtige Mass."

Ich bin mir nicht sicher, ob man ein Philosoph sein muss, um irgendwann zur Einsicht zu gelangen, dass dogmatische und kategorische Forderungen, die mit den Begriffen "immer", "überall" und "ausnahmslos" versehen sind, nicht das "Gelbe vom Ei" sind. Es scheint eher ein Zeichen persönlicher Reife zu sein, differenzierter zu denken - Wilhelm Schmid bringt es hier sehr klar zum Ausdruck: kluge Maximen kennen ein " 'Je nachdem'. Mit dem richtigen Maß kann die Klugheit den Besonderheiten von Individuen und Situationen Rechnung tragen" (PHL, S. 226).
In der weiteren Beschreibung finden sich Grundprinzipien der Konfliktbewältigung wieder, die man auch als "Prinzipien für den Umgang mit Prinzipien" bezeichnen kann. Das "richtige Maß" zu finden bedeutet, zwischen Prinzipien ABZUWAGEN, es geht "um ein wohlüberlegtes Setzen von Prioritäten, ein Aufstellen von Hierarchien der Wichtigkeit und ein Bestimmen von Präferenzen" (PHL, S. 227) - und: den richtigen Zeitpunkt.
Das alles wirklich umzusetzen... ist alles andere als einfach. Zu verständlich sind die Bedürfnisse nach "Patentrezepten", klaren methodischen Hinweisen, wie man dieses und jenes am besten macht... genauer betrachtet sind sie allesamt unklug, denn unterschiedlichen Menschen und unterschiedlichen Situationen gerecht zu werden setzt eben Flexibiltät und Balance voraus. Dort, wo es nicht gelungen ist, mag der eine oder die andere zu der Einsicht kommen, eine Dummheit begangen zu haben. Die Frage ist dann eben, ob sich daraus etwas lernen lässt, das der Entwicklung der eigenen Klugheit dienen kann.
"Aus der Sicht der Lebenskunst kann viel Klugheit darin liegen, Dummheiten nicht zu scheuen, denn wesentliche Lebenserfahrungen verdanken sich der Tatsache, unklug gewesen zu sein." (PHL, S. 228).


Literatur:
SCHMID, W. (2000). Philosophie der Lebenskunst. Eine Grundlegung. Frankfurt am Main: Suhrkamp Taschenbuch Verlag. (abgekürzt als PHL)


Samstag, 20. Juni 2009

Return to Innocence

Innocence - das bedeutet so viel wie Unschuld, Einfalt, Harmonie... Rückkehr zur Unschuld also ist der Titel dieses Songs von Enigma. Kombiniert mit verschiedenen Bildern ergeben sich unterschiedliche Botschaften, eine Fülle möglicher Interpretationen und Schlussfolgerungen.

Die Erde...



...und ein paar Filme...



Natürlich... kann man auch einfach nur Hören, Betrachten, Wirken lassen...

Der Klügere gibt nach

Ein Spruch, eine Weisheit: der Klügere gibt nach. Die schwäbische Variante, in Standardsprache übersetzt: "Du hast Recht und ich meine Ruhe". Und - eine Variante, gesehen auf einem T-Shirt:

Wenn die
KLUGEN
immer nachgeben,
geschieht immer das,
was die
DUMMEN
wollen.

Ist das Nachgeben immer klug? Sind Konflikte immer ein "Gewinnen oder Verlieren", in dem irgend jemand nachgeben muss, damit "Ruhe" ist?

Freitag, 19. Juni 2009

Klären, was strittig ist – sich über Strittiges verständigen

Ein schwieriger Gedanke: Konfliktfähigkeit ist (auch) ein Beziehungskonstrukt.

Wenn man ein Gespräch verweigern kann, also nicht kommunizieren muss, lässt sich auch ein Konfliktgespräch verweigern – oder so begrenzen, dass eine (gemeinsame) Lösung nicht möglich wird. Die Kurzformel „Klären, was strittig ist – sich über Strittiges verständigen“ zeigt drei Problembereiche auf: „sich klar ausdrücken“, „andere verstehen“ und (hier kommt der Beziehungsaspekt ins Spiel): „miteinander streiten“.

Den folgenden Fragen liegt ein weiterer Gedanke zugrunde: es ist nicht immer leicht, das zu sagen, was zur Sprache gebracht werden soll. Manches ist verborgen, „mit gemeint“ – aber nicht benannt. Voraussetzungen, die selbstverständlich erscheinen, sind vielleicht „mitgedacht“ – und können „zwischen den Zeilen“ bzw. „zwischen den Worten oder Äußerungen“ den Prozess verkürzen, oder auch erschweren.


1. Wie sage ich, was ich meine


  • und was denke ich dabei mit,
  • welche Erfahrungen und
  • welches innere Erleben stehen bei mir dahinter
  • was wünsche, was erwarte, was befürchte ich
  • wie stehe ich zur Sache und zu den Personen, mit denen ich zu tun habe
  • was setze ich dabei als bekannt, selbstverständlich, richtig voraus?


…so, dass mich (der/die) andere(n) hören und verstehen


  • mit welchen Worten,
  • welchem Sprachstil,
  • welchem Sprechstil,
  • welcher Mimik und Gestik
  • kann ich andere ansprechen


…auch wenn ich nicht weiß, ob sie mir zustimmen werden?


2. Wie kann ich verstehen, was andere meinen


  • über das Gesagte hinaus das Gemeinte und Mitgemeinte erfassen,
  • erkennen, was sich in der inneren Welt des/der anderen abspielt,
  • was ihnen wichtig ist und was sie verletzt,
  • erkennen, von welchen Voraussetzungen sie dabei ausgehen


…damit ich entscheiden kann…


  • welchen Aussagen ich zustimmen kann und welchen nicht,
  • welche Aspekte ich hinterfragen und ergründen möchte,
  • was ich besser „einfach stehen lasse“
  • was ich im weiteren Gesprächsverlauf zum Thema machen
  • was ich dabei berücksichtigen will und
  • wo ich auf eine Annäherung unserer Auffassungen hinarbeiten möchte


…in welchen Fragen wir uns einigen können?


(nur so nebenbei: muss ein Konfliktgespräch auf einen Konsens hinauslaufen?)


3. Wie können wir...


  • einen gemeinsamen Gesprächsstil finden,
  • unsere Sprechrollen aufeinander abstimmen,
  • die Situation zur gemeinsamen Sache machen,
  • klären, was (und ob überhaupt irgend etwas) strittig ist, damit wir


...sinnvoll miteinander streiten (also: argumentieren) und klären...


  • ob,
  • inwieweit,
  • wie und


...was wir (gemeinsam) tun können und wollen?



Dienstag, 16. Juni 2009

Bachelor? Studiengebühren? Nein danke!

Hätte ich vielleicht etwas anderes studieren sollen? Die Frage ging mir oft durch den Kopf. Aber Studiengebühren, verschultes Studium, Bachelor... nein danke, mit meinem Diplom-Studiengang, breit angelegt und ziemlich lang, bin ich im Rückblick doch ganz glücklich... Und ich kann auch erklären, warum. Im Grunde fing es mit den Lehrern und den Vorurteilen an... "Psychologen haben eh selbst eine Macke", "Psychologen sind Fachidioten"... Alle wollten mich davon abbringen. Um den Vorurteilen zu entgehen stand also das Bemühen um Breite im Vordergrund. Mal sehen, was es da so alles gibt... Der Blick über den Tellerrand, die Auseinandersetzung mit wissenschaftstheoretischen Fragen, Arbeitskreise, Streifzüge durch Pädagogik, Philosophie, Soziologie, Didaktik, Sprechwissenschaft und Sprecherziehung - nein, ein Fachidiot kann da nicht herauskommen, wenn man die Möglichkeit hat und nutzt, auch das "Nebendran" und auch mal das "ganz Andere" (sprich: Seminare zu Ökosophie, Kritischer Pädagogik und Konkrete Poesie) zu besuchen. Was ist wichtig?
DIe vielen emprischen Untersuchungen mit ihren speziellen Designs und der Frage, welches Ergebnis denn nun signifikant ist, theoretische Details... vieles ist verloren gegangen. Vieles längst nicht mehr aktuell. Aber - das Wissen, "da war doch mal was", Grundzüge dessen, was man "Sachverstand" nennen kann und vor allem: die Fähigkeit, sich Wissen anzueignen, Inhalte zu beurteilen und zu bewerten, zu reflektieren und Zusammenhänge zu erkennen - das ist mehr als die Wiedergabe von Inhalten, erfordert mehr als ein Studium, das auf Reproduktion gerichtet ist. Standpunkte zu entwickeln, sich in der Auseinandersetzung zu reiben, den Begriff des Kommilitionen als "Mitstreiter um die Wahrheit" zu erleben - das geht nicht, wenn man nur Wissen in sich hineinstopft. Sich in der Uferlosigkeit der Fachliteratur zu orientieren und zurecht zu finden, auszuwählen und interessegeleitet Schwerpunkte zu bilden - das ist ein wichtiger Prozess und er wird schwierig, wenn Studiengebühren und verkürzte Studienzeiten wenig Raum für das Suchen, Tasten, Sich Verirren und wieder Finden lassen. Eins ist mir deutlich geworden: noch so viel Erfahrung kann ein fundiertes Studium nicht ersetzen, das Wissen "aus zweiter Hand", das man heute über Wikipedia beziehen kann ist ein blasser Abglanz von dem, was mühevoll selbst erarbeitet wurde. Was hängen blieb... das sind nicht immer die Fakten, weniger die Lehrenden, die über besonders umfangreiches Wissen verfügten, eher jene, die Auseinandersetzungen möglich machten.
"Psychologie kann man nicht lernen, Psychologie muss man erleben", sagte mal einer meiner Professoren. Zu einem Studenten im zehnten Semester meinte er: "Dann ahnen Sie ja schon langsam, was Psychologie ist..." - Zumindest, dass es in jeder Disziplin Strittiges, unterschiedliche Ansätze und Paradigmen, verschiedene Perspektiven und methodische Zugänge gibt: das ist etwas Elementares, das nicht verloren gehen sollte. Wann und wo auch immer Leute den Spruch "so ist es!" von sich geben, zeigen sie damit, dass sie eine wissenschaftliche Grundlage nie besessen oder wieder verloren haben. Denn erkenntniskritisch betrachtet sind alle wissenschaftlichen Erkenntnisse in gewisser Weise vorläufig, gültig unter bestimmten Voraussetzungen, im Moment eben irgendwie schlüssig und mit Forschungsergebnissen "kompatibel" - aber nichts von alledem kann und darf der Weisheit letzet Schluss sein. Wer wirklich zu wissen glaubt, hat den Sinn der Wissenschaft, die in beständigem Hinterfragen, Weiterdenken und Weiterforschen besteht, nicht verstanden.
Es gibt noch einen Aspekt, der verloren zu gehen droht, wenn Studiengänge verschult werden - das interdisziplinäre Denken. Fachübergreifende Veranstaltungen, ein Studium generale, das ist ein Ansatz zur Belebung der Interdisziplinarität. Im Grunde aber muss es aus jeder Disziplin heraus entwickelt werden - wenn dem Vorwurf der Fachidiotie nun wirklich etwas entgegen gesetzt werden soll. Nicht alle Probleme, die uns begegnen, werden uns den Gefallen tun, sich in irgend eine einzige Disziplin einordnen zu lassen... und dann stehen wir vor einer Grundsatzfrage: blenden wir alles aus, das irgendwie am Rand einer Diszplin liegt und darüber hinaus deutet? Oder - wagen wir den Sprung zum problemorientierten, nicht undisziplinierten, sondern disziplinübergreifenden Denken?
Mir scheint, mit Fachidioten können wir in einer kompliziert gewordenen Welt und einer schwierig gewordenen Zeit wenig anfangen. Echte Wissenschaftler, die ihren Sachverstand einzusetzen wissen - das wär schon was. Also: fragen wir danach, was die Wissenschaft für ein Wissen schafft - und was davon übrig bleibt, wenn es immer schneller, immer kürzer werden soll... Zum Denken braucht man Zeit.

Freitag, 12. Juni 2009

Konflikte und Passung

(aus der reihe "gesprächsdichte")

sind so dicke Bücher...
viele Seiten drin
schlaue Theorien...
führen nirgends hin

einfache Ideen
ohne viel Trara
machen, was nicht passte
beweglich, passend, klar


Konflikttheorien gibt es viele. Im Alltagsverständnis ist der Begriff Konflikt oft mit einer Meinungsverschiedenheit verbunden, unterschiedliche Auffassungen sind also die Ursache für Konflikte. Die genannten dicken Bücher, die ich hier gar nicht alle aufzählen will, enthalten wesentlich mehr Begriffe, Beschreibungen, Begriffssysteme, Theorieansätze, die die intra- und die interpsychischen, die Intergruppenkonflikte und politischen Konflikte, Kognitive Dissonanz, den Appetenz-Aversions-Konflikt und Stufen der Eskalation oder Prinzipien der Konfliktbewältigung beschreiben. Es findet sich viel Wichtiges und Wertvolles darin. Und doch komme ich immer wieder auf eine ganz einfach Betrachtung zurück, die ursprünglich mit dem Begriff "Strukturinkongruenz" bezeichnet war. Aber auch das lässt sich noch einfacher beschreiben: mit dem Begriff "Passung". Konfllikte also bedeuten, dass etwas "nicht passt" - und dabei ist zunächst offen, ob es eine Person ist, der etwas "nicht passt" oder der Schlüssel nicht in die Tür, die Schraube nicht zur Mutter oder das Verhalten des einen nicht zu den Erwartungen der anderen. Durch die Frage nach den Elementen, die nicht zusammen passen, kommen die vielen Konflikttheorien quasi durch die Hintertür wieder herein. Beschrieben aber ist bereits ein einfaches Verfahren zur Konfliktanalyse und zur Konfliktbewältigung. Frage also nach dem, was nicht passt, frage nach dem, was sich bewegen lässt und frage nicht nach einem Konsens, sondern danach, wie das Nicht-Passende passend (gemacht) werden kann. Klarheit ist dabei nützlich, das Klären der Weg und Klarheit das Ziel. Es scheint sich immer wieder zu bestätigen, dass Menschen mit Konflikten "besser klar kommen"; wenn sie klarer sind - auch wenn sie dann noch nicht wirklich gelöst sind. Wer es gern systemisch (à la Steve de Shazer) mag, kann dazu Fragen stellen...
Nehmen wir an, es würde ein Wunder geschehen und der Konflikt wäre gelöst:
was wäre dann anders?
Oder: woran werde ich erkennen, dass der Konflikt gelöst ist?

Eine Idee, die das festgefahrene Nicht-Zusammen-Passen in Bewegung bringt, kann ganz einfach sein... und ist (so meine These) in der Praxis oft nützlicher als eine präzise theoretische Beschreibung.
Vielleicht ist es manchmal nur eine Frage der Betrachtung, ob das, was unvereinbar erscheint, wirklich unvereinbar ist. Immerhin... zeigt die Geschichte der Menschheit, dass Völker, die sich einst spinnefeind waren und Kriege gegeneinander führten, lernen können, als Nachbarn zu leben. Passt irgendwie...

Samstag, 6. Juni 2009

Pacific Jam

Mal kurz davon fliegen, davon segeln...
Mal kurz an den Strand.
Mal kurz wegtauchen.
So ganz ohne Worte den Wolken nachträumen.
Musik als Form der Kommunikation, die keine Worte braucht...

Freitag, 5. Juni 2009

Ideen im Gespräch

"Was der Bauer nicht kennt..." - es ist eine alte Volksweisheit und sie scheint immer noch gültig zu sein. Offenheit für neue Ideen ist keinesfalls selbstverständlich - der Umgang mit Ideen deshalb auch eine Frage an die Gesprächskultur. Gelegentlich finden sich kreative Köpfe, tauschen sich aus, bereichern sich gegenseitig, entwickeln hier und da etwas weiter, fördern sich gegenseitig, inspirieren und lassen sich inspirieren. Dabei kann es um alles Mögliche gehen, um Kochrezepte, Strickmuster, Basteleien, Technik, Malerei, Kunst, Musik... Neues eben. Untereinander können sich Kreativlinge oft sehr gut verständigen und manchmal brauchen sie dafür keine Worte. Improvisieren, der Kreativität freien Lauf lassen... es ist die Grundlage für so manches Kunstwerk, für technische und kulturelle Innovationen.
Im Gespräch werden Ideen schnell zum Problem - dort nämlich, wo sie mit bestehenden Beurteilungsmustern, mit Gewohnheiten, Regelungen, etablierten Gegebenheiten kollidieren. Sie müssen nicht unbedingt kollidieren, es genügt schon, wenn es so aussieht, als sei mit einer neuen Idee eine Veränderung verbunden, die irgendwie nach "Umdenken" aussieht... Es hat seinen Grund, warum die Regeln für eine Brainstormingsitzung ein Bewertungsverbot vorsehen - denn Bewertungen und Urteile stören den kreativen Prozess. Konflikte um Ideen und Kreativität sind also überall dort zu erwarten, wo kreative Menschen auf realistische, schnell urteilende, an der aktuellen Situation orientierte Menschen treffen. Das Problem ist, das so manche Idee zunächst weich und vorläufig sein kann, oft nur einen Kern darstellt, der weiter entwickelt werden muss, bis etwas Rundes, Vollständiges, Brauchbares entsteht. Stark realitätsbezogene Menschen sehen zunächst das Unfertige und finden problemlos viele Gründe, warum das Neue nichts taugen kann. Das Vorläufige zu akzeptieren und wachsen zu lassen fällt manchen schwer - wer also neue Ideen in ein Gespräch einbringt, wird mit solchen Einwänden rechnen müssen.
Im schlimmsten Fall wird alles Neue verworfen - denn die Frage, was aus einer Idee werden kann ist typisch für Kreative, nicht aber für sinnesorientierte Gegenwartsmenschen, die sich schwer damit tun, über das momentan Gegebene hinaus zu denken.
Welche dramatischen Folgen neue Ideen haben können, zeigt das Beispiel von Johannes Kepler sehr deutlich. Natürlich dreht sich die Sonne um die Erde und die Sterne sind am Himmel festgenagelt - was für eine verrückte Idee muss das sein, die Erde würde sich um die Sonne drehen...
Neue Ideen sind nicht immer so revolutionär wie die Relativitätstheorie, aber der Effekt, dass manche erstmal nur "Bahnhof" verstehen, ist durchaus häufig zu beobachten. Nun hat aber das Problem auch eine andere Seite - neue Ideen brauchen natürlich den Bezug zur Realität, wenn sie konkret werden sollen - und in dieser Phase ist die Grundhaltung, die den kreativen Prozess zunächst einmal empfindlich stört, nötig, eine wichtige Ergänzung.
Zunächst scheint das Wissen um solche Orientierungen und Präferenzen nicht sehr weit verbreitet zu sein, die Einsicht, dass kreative Menschen grundsätzlich "anders gestrickt" sind, kann einem konstruktiven Gespräch sehr im Weg stehen. Dort, wo sinnesorientierte und gegenwartsorientierte Menschen in Führungspositionen sind, haben neue Ideen meist keine Chance. Es sei denn, sie sind bereits passgenau ausgearbeitet und sehr weit entwickelt. Aber dazu kommt es oft nicht mehr - denn jene, die erstmal abgebügelt werden, als Spinner und Visionäre, Träumer und weltfremde Idealisten abgestempelt sind, werden sich zehnmal überlegen, ob sie neue Ideen überhaupt noch ansprechen. Und so wird so manches, wenn überhaupt, bestenfalls im stillen Kämmerlein entwickelt. Oder geht ganz verloren...
Eine These möchte ich einmal einfach so in den Raum stellen: soziale Systeme können sich nicht weiterentwickeln, wenn neue Ideen vorschnell beurteilt und abgetan werden. Unternehmen, die nicht in der Lage sind, den Blick nach vorn zu richten und für die Zukunft neue Ideen zu entwickeln, werden früher oder später untergehen. Führungskräfte, die neuen Ideen keinen Raum lassen und kreative Menschen unterdrücken, begehen einen großen Fehler. Genauso problematisch sind aber auch kreative Teams, denen es nicht gelingt, ihre Ideen früher oder später auf dem Boden der Realität zu verankern. Realisten und Kreative brauchen einander - tun sich im Gespräch aber oft schwer miteinander. Es wäre viel gewonnen, wenn die Realisten lernen würden, eine Zeit lang den Mund zu halten und neue Ideen zu betrachten, ohne zu bewerten. Und die Kreativen... überlegen sich besser sehr genau, wieviel sie von sich und ihren Ideen in welchem Zusammenhang einbringen. Denn dort, wo alles, was irgendwie neu oder anders ist, schnell beiseite geschoben wird, haben Kreativität und Innovation keine Chance.

Donnerstag, 4. Juni 2009

Rollensegmente

"Soziale Rollen sind - im kommunikativen Vollzug - Sprechrollen" (SW, S.71)
"Erziehung zur Gesprächsfähigkeit heißt folglich auch: Erziehung zur Sprechrollendifferenzierung" (SE, S.33)
Rollensegmente - was ist das eigentlich? Ausgangspunkt ist zunächst der Gedanke, dass wir alle im sozialen Geschehen Rollen "spielen" oder "haben". Ein Grundgedanke dabei: es spielt eine Rolle, welche Rolle ich spiele... Gelegentlich ist das Bewusstsein der je eigenen Rolle bzw. die Frage, wer in welchem Zusammenhang welche Rolle spielt, recht hilfreich - auch, wenn es darum geht, herauszufinden, warum Konflikte entstehen und was da nun eigentlich "los ist". Mit dem Begriff der Rollensegmente wird so manches aber noch präziser - manche Konflikte lassen sich am einfachsten mit dem Begriff der Rollensegmentverschiebung beschreiben.
Zur Erläuterung möchte ich zunächst ein Beispiel erzählen, eine wahre Geschichte... sie wiederholt sich immer wieder und so manche und mancher wird davon ein Liedchen singen können. Es geht dabei um zwei Brüder, die etwas gemeinsam hatten. Den Vater zum Beispiel, aber noch mehr, oder: noch schlimmer: der eigene Vater war auch Lehrer in der eigenen Schule. Und dieser Umstand brachte so manches Problem mit sich... Manchmal ging es den beiden wirklich auf den Geist, den eigenen Lehrer auch zuhause um sich zu haben. Offensichtlich fiel es beiden Seiten, also allen dreien, gelegentlich schwer, zwischen den Rollen klar zu trennen. Der Sohn begegnete dem Vater eben auch als Schüler seinem Lehrer. Und der Vater als Lehrer wollte sich dem Vorwurf entziehen, den eigenen Sohn als Schüler womöglich bevorzugt zu behandeln - und war deshalb zu den eigenen Söhnen besonders streng.
Genauer betrachtet gab es aber noch weitere Segmente: auf dem Pausenhof konnte der Schüler seinem Lehrer im Rollensegment "Vertreter der Institution Schule" begegnen. Dort gab es zwar nicht unbedigt den Druck, aufmerksam zuzuhören (schliesslich war ja Pause), aber unbedingt den Anspruch, sich "anständig zu verhalten". Und dabei kann es aus der Lehrerperspektive durchaus zu einer schwierigen Frage kommen: behandle ich diesen Schüler jetzt als Schüler an dieser Schule, als Schüler in meiner Klasse oder als meinen Sohn, der er nunmal auch noch ist?
Etwas peinlich wurde die Angelegenheit auf einer Klassenfahrt nach Frankreich. Nach dem Besuch in einem Museum wurde der ältere Sohn gefragt, wer denn der Herr gewesen sei, der so schlecht Französisch gesprochen habe... Nun, das war unser Lehrer... Und welches Fach er unterrichte? Französisch...
Sollte er sich nun als Schüler für seinen Lehrer oder als Sohn für seinen Vater schämen?
Es gibt noch mehr Beispiele für verwickelte Situationen, in denen sich Rollensegmente überlagern oder miteinander in Konflikt geraten können. Im Berufsleben treten solche Schwierigkeiten gelegentlich durch "Sonderrollen" auf - sei als Sonderbeauftragte für Sicherheit, Hygiene, Qualitätsmanagement usw. oder als Mitarbeitervertreter bzw. Betriebsräte. Manche dieser Rollen machen ohne entsprechende Weisungsbefugnisse keinen Sinn - das kann aber bedeuten, dass der Sicherheitsbeauftragte, der ansonsten als Arbeitnehmer gegenüber seinen Vorgesetzten weisungsgebunden ist, im Einzelfall auch Möglichkeiten haben muss, spezifische Hinweise und auch Anweisungen zu geben. Dass sich dabei Rollen überlagern und Konflikte entstehen können über die Frage, wer nun wem etwas zu sagen hat, ergibt sich von selbst - dort kann es eine große Hilfe sein, deutlich zu machen, wer in welcher Rolle (bzw. welchem Rollensegment) zu wem in welcher Rolle (bzw. in welchem Rollensegment) spricht. Ähnliche Probleme treten auch in Familienbetrieben auf - wenn die eigenen Kinder Arbeitnehmer sind, wird der Arbeitgeber eher Leistung abverlangen, während der Vater eher das Wohlergehen der Kinder im Sinn hat - und im günstigen Fall verständnisvoller reagiert. Das muss aber nicht so sein - und es hängt eben viel davon ab, ob die Rollen und Rollensegmente klar voneinander getrennt sind, ob die Überlagerungen und Verschiebungen als solche überhaupt bewusst werden und in ihrer Problematik deutlich werden.
Segmentverschiebungen treten auch auf, wenn die Generationsgrenzen verwischt werden - da wird der älteste Sohn möglicherweise zum Ersatz-Vater für die Geschwister und Ersatz-Partner für die Mutter, ohne zu begreifen, welche Überforderung damit verbunden ist. Vielleicht wird die Tochter zum Kummerkasten für den alleinerziehenden Vater und damit in eine Rolle gedrängt, die sie nicht ausfüllen, der sie nicht gerecht werden kann. Rollen in der Familie zeigen auch deutlich, dass es manche Rollen gibt, aus denen man nicht "aussteigen" kann - Kinder bleiben immer die Kinder ihrer Eltern, egal wie alt sie sind. Eltern können enorme Probleme damit haben, sich von den eigenen Kindern pflegen zu lassen, weil es nun so gar nicht zum Modell passt, dass sich doch eigentlich die Eltern um die Kinder kümmern sollten und nicht umgekehrt... Selbst dann, wenn die Kinder hochqualifiziert sind - das Verhältnis "Fachmann - Laie" wird durch die Überlagerung mit familiären Rollen schnell zum Problem.
Systemisch betrachtet sind überlagerte Rollen grundsätzlich problematisch - Grund genug also, in Konfliktsituationen auch die Rollen genauer unter die Lupe zu nehmen, die dabei möglicherweise eine entscheidende Rolle spielen...

Mittwoch, 3. Juni 2009

Gesprächsbereitschaft

„Man kann nicht nicht kommunizieren“ – das ist ein Axiom von Paul Watzlawick. Einspruch! Wenn es um Gespräche geht, kann man sehr wohl ein Gespräch verweigern. Diese Weigerung ist durchaus ein „kommunikatives Signal“ – ein Gespräch kommt aber nur zustande, wenn auf beiden bzw. allen Seiten Gesprächsbereitschaft gegeben ist. Sonst – geht es nicht.
Also: ein Gepräch setzt im direkten Vollzug Gesprächsbereitschaft voraus. Ersetzt man „Gespräch“ durch „Dialog“ und bezieht moderne Formen der (medienvermittelten schriftlichen) Kommunikation im Internet mit ein, kann man sehr wohl einen Dialog verweigern. Dann aber stellt sich die Frage, was Gesprächsbereitschaft eigentlich ist, an welchen Stellen ein Gespräch ins Stocken geraten, brüchig werden oder ganz scheitern kann. „Mit DEM nicht!“ – oder „mit DER nicht!“, das ist eine Möglichkeit. Vielleicht ja doch, aber nicht jetzt. Oder nicht hier. Oder nicht so… wenn „ich“ mit „dir“ ins Gespräch kommen möchte, sind viele Elemente mehr oder weniger automatisch vorausgesetzt. Aber, wie ich meine, keinesfalls selbstverständlich…


Gesprächsbereitschaft ist, wenn
ich
in der Rolle, die ich habe, also:
der Rolle, die ich mir selbst zuschreibe,
die mir auch von anderen zugeschrieben und zugestanden wird,
im Rollensegment, in dem ich mich bewege,
mit dir, dem einen, der oder den anderen,
in deiner Rolle,
die ich dir zuschreibe und zugestehe
in deinem aktuellen Rollensegment,
in dem du dich bewegst,
über das von wem auch immer angesprochene oder angedeutete Thema
in einem Themenfeld, das für uns beide bzw. alle von Interesse und Bedeutung ist,
gerade jetzt,
gerade hier,
aus gutem Grund
mit einem bestimmten Ziel
etwas Bestimmtes
mit einer bestimmten Sprechhandlung (als Frage, Äußerung, Rückmeldung, Stellungnahme, Vorwurf , Aufforderung etc.)
in meiner und deiner aktuellen Stimmungslage
in genau dieser Situation, in der wir uns gerade befinden,
besprechen, klären oder diskutieren möchte.

An jedem der genannten Punkte kann Gesprächsbereitschaft eingeschränkt sein oder ganz fehlen. Gespräche können scheitern
  • am Zeitpunkt („jetzt nicht“)
  • am Ort („nicht hier“)
  • am Thema („nicht darüber“)
  • am Kommunikationsstil („nicht so“)
  • an Rollen, Rollenzuschreibungen oder Rollensegmenten („nicht als...“)
  • an Motiven, Gründen oder Zielen („nicht unter diesen Voraussetzungen, mit diesem Ziel, aus diesem oder jenem Grund…“)
  • an der Situation – zum Beispiel an äußeren Störungen wie Lärm, Unterbrechungen usw. die ein Gespräch nicht möglich machen.

In allen Bereichen spielen auch kulturelle Muster eine Rolle – bezogen auf die Frage, was „zwischen Tür und Angel“, im Sitzen oder Stehen, in der Sauna oder in der Kantine, im Rahmen einer institutionell festgelegten Sitzung oder auf dem Fussballplatz „passend“ oder „besprechbar“ ist.
Die Sammlung ist noch nicht vollständig. Zu den schwierigeren Problembereichen gehören die Grenzen der Konfliktfähigkeit, der Toleranz und der Semantisierbarkeit. Wenn Standpunkte sehr weit auseinander liegen, wenn die Unterschiede und Gegensätze als sehr groß und unvereinbar erscheinen, wenn Vorschläge der einen Seite für den oder die andere(n) nicht akzeptabel sind, können Gespräche (etwa Verhandlungen) scheitern. Sie müssen aber nicht endgültig scheitern, wenn die eine oder andere Seite über Haltung, Standpunkte und Vorschläge nachzudenken bereit ist und Annäherungen, neue Vorschläge oder Einstellungen erarbeitet werden. Mit „Semantisierbarkeit“ ist gemeint, dass nur das im Gespräch besprochen werden kann, was eben auch sprachlich formuliert, also „zur Sprache gebracht“ und verstanden werden kann. Grenzen der Semantisierbarkeit setzen auch bei gegebener Gesprächs- und Konfliktbereitschaft der Gesprächsfähigkeit und der Konfliktfähigkeit Grenzen – und werfen die Frage auf, ob und mit welchen Mitteln der Kontakt auf andere Art fortgesetzt werden kann.
Gesprächsbereitschaft kann personal, personbezogen, situativ oder thematisch begrenzt sein oder ganz fehlen. Die Vorstellung, jeder könne mit jedem und jeder an jedem Ort zu jeder Zeit über alles sprechen oder in einer anderen Form (gebärden, schreiben…) kommunizieren, ist eine Illusion.

Montag, 1. Juni 2009

Tag der Milch: Kühe im Karussell

Tag der Milch - ist der wichtig? Wer weiss das schon, wen interessiert das...? Zumindest habe ich beim Stöbern etwas entdeckt, das mir nun wirklich neu war: das Karussell für Kühe. Die Konsequenzen für die linksdrehende bzw. rechtsdrehende Milchsäure überlasse ich mal den Ökotrophologen...
Nun gibt es ja leider Leute, die Milch nicht vertragen... naheliegend also, am Tag der Milch auch an Laktoseintoleranz zu denken. Fehlt den Betroffenen das Milch-Trink-Gen?

Erstmal... Stalltür auf! Muuuh...

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