Psychosophie

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In der Begegnung mit anderen Menschen können wir uns selbst und andere besser verstehen lernen. Wenn wir miteinander sprechen, begegnen sich subjektive Welten. Vielleicht entstehen daraus Einsichten, die für das je eigene Leben von Bedeutung sind.

Dienstag, 8. November 2011

Keep cool in crisis

Gerade in Krisensituationen verlieren manche Menschen die Nerven. Was bedeutet, sich aufzuregen, übermässig aktiv zu sein. Sich aufzuregen. Wenn ich mich aufrege, wer regt dann wen auf? Ich aktiviere mich selbst (oder: mein Selbst, meinen Körper), und das vielleicht zu stark. Das kann sehr ungünstig sein, denn zuviel Aufregung reduziert das Denkvermögen. Einen klaren Kopf bewahren, das mag nicht immer leicht sein. Also ist das Sich-Beruhigen angesagt, bis der Kopf wieder klar denken kann. Keep cool in crisis – das kann bedeuten, einen ‚kühlen Kopf’ zu bewahren. Also… mal ganz langsam. So langsam, dass es gerade gut ist für den Kopf. In diesem Geiste ist das folgende Stück entstanden. Ob es genügt, oder wenigstens hilft, auf den nüchternen Boden der Realität zu kommen?

Ein Klick auf den Link und es darf gelauscht werden. Auch ohne Krise.


Sprache des Erlebens

Eine Erfahrung, die für Psychotherapeuten nicht ganz ungewöhnlich sein dürfte ist, dass sich viele Menschen sehr schwer damit tun, ihr inneres Erleben zu beschreiben. Es fehlen die Worte, es fehlen die Worte, manchmal gar das Verständnis dafür, worum es in der Psychotherapie wirklich geht. Es ist immer noch keinesfalls selbstverständlich, zwischen Psychologie und Medizin unterscheiden zu können, zu begreifen, dass Psychologie nicht einfach eine Teildisziplin der Medizin ist, nicht alle, die als ‚Psychologen’ bezeichnet werden, auch wirklich welche sind. Wenn jemand die Medikamente aufzählt, die die ‚Psychologin’ verschrieben hat, wird das schnell ersichtlich – denn so wie es im Moment (noch?) aussieht, dürfen Psychologen gar keine Medikamente verschreiben, es sei denn, sie sind gleichzeitig Ärzte. Oder Ärztin natürlich.
Gewisse Ähnlichkeiten bestehen gelegentlich mit Mr. Spock (für Unkundige: der Wissenschaftsoffizier aus der alten Reihe ‚Raumschiff’ Enterprise, ein spitzohriger Vulkanier, der die Menschen unvernünftig findet und alles aus der Perspektive der Logik betrachtet). In einem Film fragt ihn eine Computerstimme: „wie fühlen Sie sich?“. Und er antwortet: „ich verstehe die Frage nicht“.

Damit beginnt das Problem, das Problem ‚geschieht’. Vielmehr: es ‚geschieht’ eben nicht, weil die Sprache für das innere Erleben, das mit der Frage nach den Gefühlen angesprochen ist, verarmt ist oder scheinbar gänzlich fehlt. Dabei muss es sich nicht gleich um Alexithymie handeln, der ‚Unfähigkeit, Gefühle zu lesen’, vielleicht ist es einfach nur ungewohnt, nicht erlernt. Und vielleicht auch eine Grenze, die uns die Sprache überhaupt nahe legt. Oberflächlich betrachtet. Genau besehen gibt es tatsächlich eine Fülle von durchaus alltäglichen Formulierungen, die Erlebnisse beschreiben. Ich glaube und hoffe, dass die Beschäftigung mit solchen Formulierungen auch dann weiter helfen kann, wenn es um eine zunächst rein sprachliche Betrachtung geht. Letzten Endes aber geht es um die Entwicklung einer Fähigkeit – der Fähigkeit, inneres Erleben ‚zur Sprache zu bringen’. Womit vorausgesetzt wird, dass das Erlebte auch erlebt werden kann und eben eine gewisse Übung erforderlich ist, um passende Worte und Formulierungen auch wirklich zu finden. Bringen wir dabei nun die Sprache zum Erleben oder das Erleben zur Sprache? Vielleicht ist es beides, in einem Prozess der inneren Überprüfung lässt sich entwickeln, welche Formulierung am besten passt.

So zeigt sich dann das Therapeutische im Anbieten von Formulierungen, im Tasten nach Worten, die vielleicht das wiedergeben können, was die Erlebenden selbst nicht in Worte fassen können. Oder noch nicht. Auch wenn es nur ungefähr passt, ist ein Schritt getan, der sich dann weiter ausbauen lässt.

„Da belastet mich etwas“. Das ist ein sehr vorsichtiger Anfang, der deshalb Sinn macht, weil das Gespräch über das, was ‚in Ordnung ist’, keinen Anlass für Psychotherapie mit sich bringt. Da ist irgendetwas schwierig, oder: da gibt es einen Punkt, an dem ich nicht weiter komme oder nicht weiter weiß… Solche Aussagenfragmente können ein Ansatz sein, von dem aus weiter gefragt werden kann. Was es denn nun ist, das schwierig ist, wie denn der Punkt zu beschreiben ist, an dem es nicht weiter zu gehen scheint.  Eine solche Situation kann sehr unangenehm sein, unbehaglich, und das ist auch ein Erlebnismoment. Als Erklärung beziehungsweise Begründung, warum es manchen wohl so schwer fällt, ihr inneres Erleben zu beschreiben, möchte ich einen neuen Begriff einführen, der ebenfalls ein Erlebnismoment ist, aber kaum direkt ausgesprochen wird. Erlebnisangst. Was bedeutet: ich habe Angst davor, mich mit meinem inneren Erleben zu beschäftigen, weil das unangenehm werden könnte, weil dabei vielleicht etwas zutage tritt, das mir gar nicht gefällt.

Dort aber, wo es schier unmöglich ist, das eigene Erleben zu beschreiben, drängt sich die Frage auf, ob der oder die Betreffende überhaupt noch am Leben ist – psychisch am Leben, meine ich damit. Denn gerade das Erleben ist der Ort, an dem das Leben sich seiner Lebendigkeit bewusst zu werden vermag. Wer sich davor fürchtet, reduziert das je eigene Potential im Grunde auf eine Ebene des mechanischen Funktionierens, eine Ebene, die noch unter der Erlebnisfähigkeit eines Tieres liegt.  Hunde beispielsweise können erstaunliche  gruppendynamische Kompetenzen entwickeln, spüren, wenn irgendwo „dicke Luft“ ist, unruhig werden oder sich zurückziehen. Leider fehlt ihnen die Fähigkeit, sich dabei mit klaren Worten verständlich zu machen – aber sie erleben etwas und reagieren darauf. Das gemeinsame Element, das „Reagieren auf etwas aufgrund des inneren Erlebens“, ist ebenfalls ein indirekter Zugang zum Erleben.  Extraverbale Kommunikation (die landläufig als ‚Körpersprache’ bezeichnete Art, sich mit anderen zu verständigen)  deutet auf bestimmte Erlebnismomente, bleibt dabei aber potentiell immer dem Missverstehenkönnen ausgesetzt, denn eine Reaktion wie „Weggehen“ kann aus einem „Sich-Unwohl-Fühlen“ ebenso entstehen wie aus einem Termin, der dringend erscheint – auch wenn der Wunsch, zu bleiben, recht stark sein mag.

Genau dort liegt ein starkes Argument, sich mit der Sprache des Erlebens zu beschäftigen – denn dort, wo sich das innere Erleben nicht klar und eindeutig aus Verhaltensweisen, Äußerlichkeiten und Reaktionen ableiten lässt, bedeutet „sich mit dem eigenen Erleben zur Sprache bringen können“ auch: zumindest die Chance zu haben, verstanden zu werden.  Und: die Chance zu haben, sich selbst ein kleines bisschen besser zu verstehen.
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