Die Frage nach dem Seindürfen des Seins ist in vielleicht ungewohnter Begrifflichkeit nichts anderes als die Frage nach dem Realitätsbezug - eine Frage, die nicht nur bei psychotischen Erkrankungen eine Rolle spielt. In gewisser Weise ist sie seltsam, denn das Sein fragt nicht danach, ab es sein darf. Wobei vielleicht zunächst geklärt werden sollte, was das Sein eigentlich ist, bzw. was damit gemeint sein soll. Bezeichnet es das, was ist, dann scheint es mit der Realität deckungsgleich zu sein. Bezieht sich Realität aber auf das, was Menschen erfassen können, was sie als gemeinsame Wirklichkeit teilen und worüber sie sich miteinander verständigen können, dann ist Realität nur ein Ausschnitt des Seins - wenn nicht unterstellt werden soll, das Menschen alles was ist auch als Realität wahrnehmen können. Etwas begrenzter könnte die Frage nach dem Seindürfen des Seins bezogen werden auf das Seindürfen der Realität, und die Schwierigkeiten beginnen da, wenn das was (real) ist, als solches nicht akzeptiert wird, also mit dem Etikett "unerwünscht", "unmöglich" oder der Formulierung "das darf doch nicht wahr sein" versehen wird. Bewusst oder nicht - die Einschränkungen, die sich im bedingten Seindürfens des Seins ausdrücken, beschreiben eine Haltung, in der das menschliche Bewusstsein glaubt, über das Sein bestimmen zu können und zu dürfen. Das aber geht nicht. Was nicht bedeuten soll, das sich nicht so manches, was Realität ist, ändern ließe - im umfassenderen Verständnis jedoch, das dem Sein den eigenen Willen aufzwingen will, ist es eine Fehlhaltung, die enorme Probleme auslösen kann. Die Alternative, das Sein in seinem Sosein sein zu lassen, auch wenn es nicht den eigenen Vorstellungen vom Seinsollen entspricht, wird als gesündere, gelassenere Haltung postuliert. Was nicht bedeutet, dort etwas zu tun und zu gestalten, wo es möglich und sinnvoll ist. Denn das, die Veränderbarkeit des Seins durch menschliches Handeln, ist eben auch ein Teil des Seins. Die Rückseite der Veränderbarkeit ist aber das Unabänderliche - das ebenfalls in seinem Sein sein dürfen sollte, weil alles andere keinen Sinn macht. Die dunkle Wolke am Himmel lasst sich eben nicht einfach so beiseiteschieben, nur weil ich gern mehr von der Sonne hätte, die sich dahinter verbirgt. Es gibt drastischere Beispiele für die Haltung des Nichtseinlassenwollens, für das Nichtseindürfen bestimmter Umstände oder Ereignisse: es darf nicht sein, dass jemand zu früh, unerwartet oder auf dramatische Weise sein Leben verliert, es darf nicht sein, dass mir dieses oder jenes widerfährt, es darf nicht sein, dass die Welt nicht gerecht ist, es darf nicht sein, dass die Dinge sich nicht so entwickeln, wie ich das gerne hätte, es darf nicht sein, dass mit dem Alter die Leistung in bestimmten Bereichen nachlässt, es darf nicht sein, dass die Kinder sich anders verhalten, als Eltern, Lehrer oder Erzieher das gerne hätten, es darf nicht sein, dass nicht alle das glauben, was ich für richtig halte, es darf nicht sein, dass sich das verändert, was doch gleich bleiben sollte auf ewig, während sich das Schreckliche immer wieder erneuert und aufs Neue geschieht. Die skeptische Frage, die all diese Aussagen in Frage stellt und die Forderung des Nichtseindürfens problematisiert ist: Warum sollte irgendetwas oder irgendjemand auf der Welt so sein, wie ich das gerne hätte? Mit welchem Recht spreche ich dem Sein, dass da ist, das Seindürfen ab? Auch wenn es schrecklich ist und unerträglich erscheint, das Seiende fragt nicht nach dem Seindürfen, das Nichtseindürfen ist eine Forderung, die das Sein im Grunde nicht berührt. Kein Baum fragt irgend einen Menschen, ob er im Wald stehen darf, er tut es einfach. Gleichwohl... lässt er sich fällen, was bedeutet, das sich das menschliche Handeln am Seinsollen und Seinkönnen orientiert und schließlich auch das Sein beeinflusst, verändert, genau genommen, ein Werden in Gang setzt, das eben auch zum Sein gehört. Und so steht der Baum vielleicht nicht mehr lange, wenn die Entscheidung gefallen ist, dass sein Dasein nicht gefällt und er, gefällt, zu Holz, vielleicht einem Tisch wird. Das Nichtseindürfen zu problematisieren heißt also nicht, das Werden und Werdenkönnen, von selbst, durch die Natur oder durch menschliches Handeln zu negieren. Aber es geht von einer anderen Voraussetzung aus - dem Akzeptieren nämlich, dass das Sein so ist, wie es ist, bevor es sich verändert. Es ist eine gelassenere Haltung gegenüber dem, was geschehen und nicht mehr zu ändern ist. Sinn macht es also nicht, dem Sein das Seindürfen abzusprechen - nach dem zu fragen, was werden kann und werden soll dagegen, macht uns zu aktiven Gestaltern des je eigenen Lebens und der Zukunft. Denn die sollte schließlich auch werden und sein dürfen.
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In der Begegnung mit anderen Menschen können wir uns selbst und andere besser verstehen lernen. Wenn wir miteinander sprechen, begegnen sich subjektive Welten. Vielleicht entstehen daraus Einsichten, die für das je eigene Leben von Bedeutung sind.
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Sonntag, 25. März 2012
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