Summary: In einer empirischen Studie wurden weit verbreitete Vorurteile und ihre Kovarianz mit dysfunktionalen Prozessen in der Psychotherapie untersucht. Aus mehr als dreihundert digitalisierten Therapieprotokollen wurden außerdem die relevantesten Vorurteile extrahiert und in 1587 Supervisionsstunden bis zum Erbrechen reflektiert. Es ist A. Schnurz und B. Piepegal ein wichtiges Anliegen, die Auflösung der Vorurteile voranzutreiben und die noch ungeklärten Fragen zu beantworten.
Stimmt es, dass Psychologen alle ein Rad ab haben?
Schnurz & Piepegal: „gelegentlich ja“. Vor
allem, wenn ein Reifen platt ist, neigen Psychologen in ähnlicher Weise wie
andere Akademiker, Nicht-Akademiker und Möchtegern-Akademiker dazu, das
entsprechende Rad zu Reparaturzwecken zu entfernen. Empirische Studien haben gezeigt,
dass sich Fahrzeuge mit plattem Reifen signifikant langsamer bewegen und die
Funktionalität selbiger Gegenstände am besten durch das Dissoziieren des runden
Teils vom Rest des Fahrzeugs wieder hergestellt werden kann. Also: „Rad ab,
wenn es sein muss“ (Schnurz & Piepegal, a.a.O, S.197).
Haben alle Psychologen einen Hammer?
„Diese Hypothese konnten wir nicht bestätigen“,
aber das ist A.Schnurz & B.Piepegal folgend nur eine Seite. Denn manche
haben tatsächlich einen Hammer und rationalisieren die Anwendung dieses
Werkzeugs mit der Kognition, die Fähigkeit unter Beweis stellen zu wollen,
trotz des akademischen Hintergrunds einen Nagel in die Wand schlagen zu können.
In der Tat zeigte ein nicht unerheblicher Teil der untersuchten
Therapeutenbüros an der Wand hängende Bilder. Die Schlussfolgerungen sind
A.Schnurz und B.Piepegal klar: dort musste jemand sein, der einen Hammer hat.
Oder zumindest jemanden kennt, der einen Hammer hat.
Stimmt es, dass Psychologen nicht mehr alle Tassen im Schrank haben?
Diese Frage ließ sich in der empirischen Studie aus
der Beobachtung von 537 Therapeutenbüros über einen Zeitraum von 2 Wochen ganz
klar beantworten. Schnurz und Piepegal: „Ja, das stimmt, weil sie eine davon
zum Kaffeetrinken brauchen.“ Bei Teetrinkern gilt die Kausalität in analoger
Weise.
Mit einer multivariaten Varianzanalyse konnten die
Autoren Zusammenhänge zwischen Art und Ausmaß der Vorurteile auf Patientenseite
sowie konstruktiven bzw. dysfunktionalen Prozessen in der Psychotherapie
ermitteln. Das Vorurteil „Rad ab“ reduzierte signifikant die Therapiemotivation
bei Patienten, die Angst vor dem Autofahren hatten. Widersprüchliche Ergebnisse
ergaben sich beim zweiten Vorurteil: bei manchen Patienten wirkte sich die
Anwesenheit eines Hammers nicht auf den therapeutischen Prozess aus, bei
Abwesenheit könnte ja schließlich der Nachbar gefragt werden. Patientinnen
neigten eher dazu, die Beine beim Anblick eines Therapeutenhämmerchens
übereinander zu schlagen und die Überprüfung des Kniesehnenreflexes zu
erwarten. Bezüglich des dritten Vorurteils zeigten sich ebenfalls keine
Effekte, sofern den Psychologen eine gewisse Privatsphäre zugestanden wurde.
Wenn Besenkammer und Küchenschrank tabu sind, wird die Anzahl der sich dort
befindlichen Schachteln, Schrauben und Tassen nach A.Schnurz und B.Piepegal
irrelevant.
Literatur:
SCHNURZ
& PIEPEGAL (2012). Rad ab? Vorurteile
gegen Psychologen und ihre Kovarianz mit dysfunktionalen Prozessen in der
Psychotherapie. Berlin, Ouagadudu, Los Angeles: Sure Camp Press.
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