Es war bereits erwähnt, dass im Gespräch gemeinsam Sinn konstituiert, also „erzeugt“ wird. Wovon hängt es nun ab, ob und welcher Sinn entsteht? Was sind die einzelnen Faktoren, die über Sinn (oder auch Unsinn) bestimmen? Im Kapitel über die Faktoren mündlicher Kommunikation (SW, S. 61ff.) sind sie ausführlich beschrieben und in einer knappen Formel zusammengefasst:
s. auch:
Was ist Gesprächsfähigkeit?
Blogreview Miteinander sprechenDas „Miteinander“ steht hier in Klammern. Wenn man den Zusammenhang zur Sprecherziehung als angewandte Sprechwissenschaft herstellt, wird nachvollziehbar, warum diese Klammern hier auftauchen. Rede als „Sprechen zu anderen“ wird als „virtuell dialogisch“ beschrieben, kann also in Gespräche eingebettet sein oder in ein Gespräch münden. Die einzelnen Faktoren gelten dort auch – und das nicht erst dann, wenn ein Zwischenrufer einen Einwand erhebt oder eine Frage stellt. Wenn ich verstehen möchte, was da eigentlich geschieht, wenn Menschen miteinander sprechen (oder auch: wenn eine oder einer zu vielen anderen spricht), dann muss ich verschiedene Aspekte beachten.
1. Jede nachdem, in welcher Situation sich die Miteinandersprechenden befinden, kann eine bestimmte Äußerung eine völlig andere Bedeutung haben. Der Angeklagte wird vor Gericht des Mordes verdächtigt. Der Richter fragt: Sind sie schuldig? Lautet die Antwort „ja“, dann hat das Konsequenzen. Ein „Ja“ vor dem Traualtar hat dagegen eine ganz andere Bedeutung und andere Konsequenzen…
2. Es ist von Bedeutung, WER da MIT WEM spricht, also welche Personen in welchen Rollen. Eine höfliche Frage, die eine bestimmte Handlung nahe legt, darauf abzielt, dass der oder die Angesprochene doch bitte etwas Bestimmtes tun solle, hat im privaten Bereich eine andere Bedeutung als in der Schule oder im Berufsleben.
3. Sprache ist nicht nur ein Mittel der Verständigung, sondern auch die Quelle vieler Missverständnisse. Nicht nur, wenn der oder die andere nun wirklich eine andere Sprache spricht – sondern auch dann, wenn es um Dialekte geht. Oder um Fachsprachen. Oder um Muster und Redewendungen, die für eine bestimmte Szene typisch sind. Im kriminellen Milieu ist der Hinweis auf einen geplanten „Besuch“ möglicherweise eine massive Bedrohung…
4. In jedem Gespräch sind Muster oder Schemata wirksam, die hillfreich oder störend sein können. Sie gehören (nach meiner Einschätzung) zum schwierigsten Bereich der Faktoren, die den Sinn des Gesprochenen prägen – weil sie oft so „selbstverständlich“, automatisiert und verborgen sind, dass sie kaum zu fassen und schwer zu erkennen sind.
5. Dass Miteinandersprechen leibhaft vollzogen ist, wird spürbar, wenn die Stimme einmal versagt. Eine heftige Erkältung macht deutlich, dass ein kranker Hals sich hustend und krächzend der körperlichen Grundlagen seiner Stimme durchaus bewusst werden kann… Interessant ist auch, zu beobachten, was geschieht, wenn Gehörlose Kontakt herstellen. Wer nicht hören kann, kann auch nicht angesprochen werden, also wird eben gestupst oder geschubst, wenn der oder die andere gerade in eine andere Richtung blickt. Das Miteinandersprechen wird zum Miteinandergebärden – die Gebärdensprache ersetzt die gesprochene Sprache. Dort, wo wirklich gesprochen wird, gilt aber auch, dass man nichts sagen kann, ohne es „irgendwie“ zu sagen. Sage ich „das hast du aber schön gemacht!“, genügt ein ironischer Unterton, um aus einem Lob eine verletzende, vorwurfsvolle Kritik zu machen.
Damit sind die Faktoren der Sinnkonstitution keinesfalls vollständig im Sinne von „mit allen Details“ beschrieben. Die kurze Zusammenfassung und Interpretation macht aber, wie ich hoffe, eines deutlich: die Gründe, warum Gespräche manchmal schwierig sind oder Konflikte entstehen können, sind nicht vollständig zu erfassen, wenn man nur die INHALTE des Gesprochenen beachtet. Vielleicht liegen die Probleme anderswo…
„(Miteinander-)Sprechen ist die kommunikative Reziprokhandlung, die
- situativ gesteuert,
- personbezogen,
- sprachbezogen,
- formbestimmt,
- leibhaft vollzogen
Sinn konstituiert und Handlungen auslöst“ (SW, S. 61)
s. auch:
Was ist Gesprächsfähigkeit?
Blogreview Miteinander sprechenDas „Miteinander“ steht hier in Klammern. Wenn man den Zusammenhang zur Sprecherziehung als angewandte Sprechwissenschaft herstellt, wird nachvollziehbar, warum diese Klammern hier auftauchen. Rede als „Sprechen zu anderen“ wird als „virtuell dialogisch“ beschrieben, kann also in Gespräche eingebettet sein oder in ein Gespräch münden. Die einzelnen Faktoren gelten dort auch – und das nicht erst dann, wenn ein Zwischenrufer einen Einwand erhebt oder eine Frage stellt. Wenn ich verstehen möchte, was da eigentlich geschieht, wenn Menschen miteinander sprechen (oder auch: wenn eine oder einer zu vielen anderen spricht), dann muss ich verschiedene Aspekte beachten.
1. Jede nachdem, in welcher Situation sich die Miteinandersprechenden befinden, kann eine bestimmte Äußerung eine völlig andere Bedeutung haben. Der Angeklagte wird vor Gericht des Mordes verdächtigt. Der Richter fragt: Sind sie schuldig? Lautet die Antwort „ja“, dann hat das Konsequenzen. Ein „Ja“ vor dem Traualtar hat dagegen eine ganz andere Bedeutung und andere Konsequenzen…
2. Es ist von Bedeutung, WER da MIT WEM spricht, also welche Personen in welchen Rollen. Eine höfliche Frage, die eine bestimmte Handlung nahe legt, darauf abzielt, dass der oder die Angesprochene doch bitte etwas Bestimmtes tun solle, hat im privaten Bereich eine andere Bedeutung als in der Schule oder im Berufsleben.
3. Sprache ist nicht nur ein Mittel der Verständigung, sondern auch die Quelle vieler Missverständnisse. Nicht nur, wenn der oder die andere nun wirklich eine andere Sprache spricht – sondern auch dann, wenn es um Dialekte geht. Oder um Fachsprachen. Oder um Muster und Redewendungen, die für eine bestimmte Szene typisch sind. Im kriminellen Milieu ist der Hinweis auf einen geplanten „Besuch“ möglicherweise eine massive Bedrohung…
4. In jedem Gespräch sind Muster oder Schemata wirksam, die hillfreich oder störend sein können. Sie gehören (nach meiner Einschätzung) zum schwierigsten Bereich der Faktoren, die den Sinn des Gesprochenen prägen – weil sie oft so „selbstverständlich“, automatisiert und verborgen sind, dass sie kaum zu fassen und schwer zu erkennen sind.
5. Dass Miteinandersprechen leibhaft vollzogen ist, wird spürbar, wenn die Stimme einmal versagt. Eine heftige Erkältung macht deutlich, dass ein kranker Hals sich hustend und krächzend der körperlichen Grundlagen seiner Stimme durchaus bewusst werden kann… Interessant ist auch, zu beobachten, was geschieht, wenn Gehörlose Kontakt herstellen. Wer nicht hören kann, kann auch nicht angesprochen werden, also wird eben gestupst oder geschubst, wenn der oder die andere gerade in eine andere Richtung blickt. Das Miteinandersprechen wird zum Miteinandergebärden – die Gebärdensprache ersetzt die gesprochene Sprache. Dort, wo wirklich gesprochen wird, gilt aber auch, dass man nichts sagen kann, ohne es „irgendwie“ zu sagen. Sage ich „das hast du aber schön gemacht!“, genügt ein ironischer Unterton, um aus einem Lob eine verletzende, vorwurfsvolle Kritik zu machen.
Damit sind die Faktoren der Sinnkonstitution keinesfalls vollständig im Sinne von „mit allen Details“ beschrieben. Die kurze Zusammenfassung und Interpretation macht aber, wie ich hoffe, eines deutlich: die Gründe, warum Gespräche manchmal schwierig sind oder Konflikte entstehen können, sind nicht vollständig zu erfassen, wenn man nur die INHALTE des Gesprochenen beachtet. Vielleicht liegen die Probleme anderswo…
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