Erstmal macht sich Erleichterung breit...
Magna steigt also bei Opel ein,
Opel ist gerettet.
Die Aktion hat aber auch ihren Preis und ob jetzt wirklich "alles gut wird", muss sich zeigen.
Für den Moment sieht es so aus, als ob in einer komplizierten Situation eine Lösung gefunden ist. Na also, geht doch... wenn man will.
Eine gute Gelegenheit, theoretische Überlegungen unter die Lupe zu nehmen, vielleicht auch hier und da eine Ecke weiter zu denken.
Sind Konflikte lösbar? Wenn ja, unter welchen Bedingungen?
Wenn man will... die
Voraussetzungen beim Streiten, das Interesse daran, eine Lösung zu finden scheint eine notwendige Voraussetzung zu sein. Wenn es um etwas geht, schlägt man sich schon mal die Nacht um die Ohren... und wenn man sich die
Chronologie betrachtet, wird deutlich, dass es alles andere als einfach war.
Moderne Zeiten... so manches lässt sich per Telefon, E-Mail, Fax und Brief erledigen, entscheidende Schritte zeigten sich aber im direkten
Gespräch. Pressemitteilungen, Erklärungen, Angebote... Vorschläge also waren ein Teil des Prozesses, aber letzten Endes bleibt das Miteinander sprechen doch die bevorzugte Form, in der eine Lösung erarbeitet wird.
Konsens? Die Lösung ist kein echter Konsens. Der Bundeswirtschaftsminister hat immer noch
Bedenken - "trägt aber die Lösung mit". Also -
es müssen sich nicht alle in allem einig werden, wenn man in einer komplexen Situation eine Lösung finden will. Ein typisches Grundelement von Konfliktsituationen zeigte sich in mehreren Vorschlägen, die für sich genommen strittig waren - dazu gehört die Idee einer
Sanierung durch Insolvenz, die sich nicht durchgesetzt hat.
Die Einzelheiten im Gesamtprozess lassen sich aus den Medien nur begrenzt rekonstruieren - grundsätzlich aber kann man wohl sagen, dass die Lösung, die schließlich gefunden wurde, nicht von Anfang an vorlag. Und: ob man dem "schwarzen Baron" nun Vorwürfe machen will oder nicht - ohne die Einwände gegen die vorläufigen Angebote, ohne die Warnung, dass die Gespräche scheitern könnten, ohne eine Idee, die viele nicht realisiert werden wollten, wäre sie vielleicht nicht gefunden worden. Vorsichtig formuliert:
auch ein Vorschlag, der nicht mehrheitsfähig ist, auch eine Bremse, die den Prozess aus der Sicht mancher Beteiligten zu blockieren scheint, kann sehr wichtig und konstruktiv sein.
Es gibt noch ein Element, das für komplexe Konfliktsituationen typisch ist: die Reorganisation bzw.
Umstrukturierung, die sich im Fall Opel in der
Trennung von General Motors zeigt.
Ohne diese Trennung wäre das
Treuhandmodell nicht möglich gewesen.
Interessant ist auch die
Meinungsumfrage der Tagesschau: zur Frage, wer Opel übernehmen solle, kamen für Magna die meisten Stimmen zusammen (29,1%) - die meisten Befürworter fand aber die Lösung "niemand, Opel sollte Insolvenz beantragen" (44,6%). Mit einer Zahl von 3211 Stimmen bezeichnet die ARD die Umfrage zu Recht als nicht repräsentativ - es sieht aber so aus, als ob Bundeswirtschaftsminister Guttenberg mit seiner Auffassung nicht allein da steht.
Zurück zur Frage:
sind Konflikte lösbar? Das Ringen um die Zukunft von Opel zeigt, wie vielschichtig und kompliziert Konfliktsituationen sein können - viele Ebenen, viele Vorschläge, die in sich ebenfalls strittig sind, Lösungen, die mit Risiken verbunden sind, die man wiederum unterschiedlich einschätzen kann, verwickelte Zusammenhänge, die zunächst nicht leicht zu durchschauen sind. Begrenzte Handlungsmöglichkeiten und unterschiedliche Auffassungen über die Folgen, die bestimmte Entscheidungen nach sich ziehen...
Jede Teil-Lösung kann neue Konflikte nach sich ziehen und bringt möglicherweise auch Nachteile. Es wird teuer. Und - es wird nicht gelingen, alle Arbeitsplätze zu erhalten. Man kann sich darüber streiten, ob und wie weit staatliche Hilfen für Wirtschaftsunternehmen zur Verfügung gestellt werden sollten. Trotz allem zeigt der Gesamtprozess, dass es möglich ist, auch in ausweglos erscheinenden Situationen Lösungen zu finden, auch wenn es keine "Patentlösung" sind, mit der alle Beteiligten rundherum zufrieden sind.
Aus der Rekonstruktion lassen sich Fragen formulieren, die in komplizierten Konfliktsituationen hilfreich sind:
1. Besteht ein Interesse an der Lösung des Konflikts?
2. Wer ist am Konflikt beteiligt, wer verfügt über welche Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten?
3. Welche Lösungen sind möglich und wie lassen sie sich beurteilen? Welche Konsequenzen, Vorteile, Nachteile und Risiken sind mit den einzelnen Vorschlägen verbunden?
4. Was muss geschehen, damit ein Lösungsvorschlag realisierbar wird?
5. Welche Lösungsvorschläge sind konsensfähig, mehrheitsfähig, realisierbar?
6. An welchen Stellen ist ein Konsens erforderlich und wo nicht? Wer muss sich mit wem in welcher Frage wirklich einig werden, damit eine (Teil-)Lösung möglich wird?
7. Welche Einwände gibt es bezogen auf welchen Vorschlag und wie lassen sich diese Einwände berücksichtigen?
8. Welche Vorschläge lassen sich ausarbeiten und verbessern und welche Rolle spielen vorgebrachte Einwände dabei?
9. Worüber können sich die Beteiligten verständigen und wer soll was genau tun, damit eine gefundene Lösung konkret werden kann?
Problem gelöst? Für Opel ist die Geschichte noch lange nicht zu Ende... Auch das ist eine grundlegende Einsicht - komplizierte Situationen brauchen Zeit und Geduld, Konflikte zu lösen ist gelegentlich ein langsamer und mühsamer Prozess. Entscheidend ist, ob sich die Beteiligten auf den Weg machen.
Konflikte kann man also auf jeden Fall einer Lösung näher bringen - wenn man will.