Helle Aufregung gibt es um die Veröffentlichung der Tintenkleckse auf Wikipedia.
Der Rorschachtest ist ein veraltetes Verfahren zur Psychodiagnostik. 1921 wurde das Verfahren veröffentlicht - und allein das ist schon Grund genug, ihm das Etikett "historisch" zu verleihen.
Wenn ich zurückdenke, was ich aus Seminaren und Vorlesungen im Fach Psychologische Diagnostik "mitgenommen" habe, bleiben grundsätzliche Überlegungen übrig, die von Anfang an einen skeptischen Blick auf den Rorschachtest auslösten. Tintenkleckse? Interpretation? Unendliche Möglichkeiten... da lässt sich alles Mögliche hineininterpretieren und herauslesen. Ein solches Verfahren kann unmöglich objektiv sein. Auch dann, wenn man sich über den Begriff der Objektivität streiten kann, bleibt das Bemühen um Standardisierung, um Gütekriterien unbedingt sinnvoll. Wenn fünf Leute ein Holzbrett abmessen und es ist einmal 80 cm lang, ein anderes Mal 2 Meter 50 - dann ist das Messverfahren nicht besonders tauglich. Ähnlich sieht es auf, wenn das Brett bei einer Messung 1 Meter 20, bei der zweiten 1 Meter 22 lang ist - auch das ist schon ein Problem...
Bei psychologischen Testverfahren sind solche Dinge schwierig - Messfehler sind nie auszuschließen. Also - sieht man sich eben die Werte an, setzt bei Bedarf mehrere Verfahren ein, beurteilt die Ergebnisse nach dem zugrundeliegenden theoretischen Modell, der Eichstichprobe, den Gütekriterien und der Aktualität. Erstaunlich genug, das so ein altes Verfahren wie der Rorschachtest immer noch eingesetzt wird...
Die Wissenschaft ist ständig im Fluss - und das gilt eben auch für Theorien der Persönlichkeit. Wenn man Jahrzehnte psychologischer Forschung einfach ignoriert, kann man natürlich auf ein altes Verfahren zurückgreifen... wenn es denn wenigstens brauchbare Werte in den einschlägigen Gütekriterien aufweisen würde. Das tut der Rorschachtest aber nicht und ist allein schon deshalb als wissenschaftliches Testverfahren unbrauchbar. Nun muss man aber nicht unbedingt einen empirischen Standpunkt vertreten und den Rorschachtest an den Kriterien der klassischen Testtheorie messen.
Schließlich hat sich ja auch die Psychoanalyse weiterentwickelt und dazu gehört eben auch die Ausarbeitung der OPD (Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik).
Warum also sollte jemand ein altes Verfahren einsetzen, das sowieso kaum noch jemand wirklich ernst nimmt? Aber zunächst zu der Frage, worüber sich die Leute eigentlich aufregen... Wikipedia hat alle Kleckse veröffentlicht. "Inklusive Interpretation" heisst es im Artikel auf Rooster24. Beim Stöbern fiel mir auf, dass so mancher Link nicht mehr abrufbar ist - vermutlich wurden einige Texte also schon wieder entfernt. Nehmen wir an, die Interpretationen wären wirklich nachzulesen - dann könnten alle Probanden, die mit diesen Klecksen konfrontiert werden, sich genau überlegen, was sie ihrem Analytiker erzählen, um eine bestimmte Interpretation nahezulegen oder andere auszuschließen. Besonders zuverlässig wäre das aber auch nicht, denn selbst dann, wenn sich die Anwender auf bestimmte Interpretationen "gut geeinigt haben", kann man nie wissen, was im Einzelfall so alles "herausgelesen" wird. Psychoanalytiker deuten - diese Grundhaltung ist mit dem Anliegen eines Testverfahrens, das ein bestimmtes Merkmal messen will, nicht vereinbar.
Warum werden eigentlich die Prüfungsaufgaben für Schulabgänger nicht veröffentlicht? Warum kann man nicht erfahren, welche Testbögen am Tag X vorgelegt werden, wenn es um den Führerschein geht?
Es ist nicht schwer zu erraten - es wäre unfair, denn wer genau weiss, welche Fragen gestellt werden, kann sich natürlich darauf vorbereiten. Auch dann würde es noch Unterschiede geben - aber die Situation, dass alle mit unbekannten Fragen konfrontiert werden, wäre nicht mehr gegeben.
Ein brauchbares Testverfahren zu entwickeln, das braucht Zeit und macht viel Arbeit. Neue Theorien machen ältere Verfahren fragwürdig, die Zeiten ändern sich und mit ihnen auch die Testnormen. Liegt die letzte Normierung Jahrzehnte zurück oder hat nie statt gefunden, hat ein Verfahren auch keine besondere Aussagekraft. Wird ein Verfahren kopiert und weitergegeben, sind die Fragestellungen eben nicht mehr neu - und dann kann niemand mehr aussschließen, ob ein hoher Testwert im Intelligenztest vielleicht nur auf ein besonderes Training zurückzuführen ist. Als Proband kann ich mir dann das Denken sparen - ich lerne einfach die "richtigen" Antworten auswendig und erscheine plötzlich genial. Kleiner Irrtum, aber vielleicht lebt es sich ganz gut mit einer solchen Selbsttäuschung und dem Lebensmotto "Einbildung statt Bildung". Die Tests, die im Internet (oft für teueres Geld) angeboten werden, sind Pseudotests, nette Spielereien, vielleicht mit Unterhaltungswert, ansonsten nicht ernst zu nehmen. Versprechen, man könne innerhalb kürzester Zeit seinen IQ um 30% steigern, sind einfach nur Unsinn.
Psychodiagnostik gehört in die Hände von Psychologen - und sonst nirgendwo hin. Psychologische Tests gehören nicht ins Internet - denn durch die Publikation der Fragen sind Verzerrungen, soziale Erwünschtheitseffekte und Fehlinterpretationen, die sowieso schon nie ganz auszuschließen sind, noch wahrscheinlicher. Eine Neunormierung wäre also das Mindeste, das geschehen müsste, um das Verfahren wieder einigermaßen brauchbar zu machen. Wissenschaftliche Testverfahren brauchen den Schutz des Copyright - wer sie kopiert, mit der Post verschickt, ins Internet stellt oder Laien (und dazu gehören auch die Mediziner, sorry) zur Verfügung stellt, entwertet sie auf jeden Fall - im Einzelfall bis zur völligen Wertlosigkeit.
Eines kann man sicher sagen - wenn die Rorschachkleckse erst einmal veröffentlicht sind, kann niemand mehr garantieren, dass Probanden frei assoziieren und spontan auf ein Bild reagieren, das sie nie zuvor gesehen haben und ohne sich irgendwelche Antworten zurechtgelegt zu haben. So gesehen ist die Publikation nur ein Grund mehr, den Rorschachtest dorthin zu befördern, wo er hingehört: in den Papierkorb.
Der Rorschachtest ist ein veraltetes Verfahren zur Psychodiagnostik. 1921 wurde das Verfahren veröffentlicht - und allein das ist schon Grund genug, ihm das Etikett "historisch" zu verleihen.
Wenn ich zurückdenke, was ich aus Seminaren und Vorlesungen im Fach Psychologische Diagnostik "mitgenommen" habe, bleiben grundsätzliche Überlegungen übrig, die von Anfang an einen skeptischen Blick auf den Rorschachtest auslösten. Tintenkleckse? Interpretation? Unendliche Möglichkeiten... da lässt sich alles Mögliche hineininterpretieren und herauslesen. Ein solches Verfahren kann unmöglich objektiv sein. Auch dann, wenn man sich über den Begriff der Objektivität streiten kann, bleibt das Bemühen um Standardisierung, um Gütekriterien unbedingt sinnvoll. Wenn fünf Leute ein Holzbrett abmessen und es ist einmal 80 cm lang, ein anderes Mal 2 Meter 50 - dann ist das Messverfahren nicht besonders tauglich. Ähnlich sieht es auf, wenn das Brett bei einer Messung 1 Meter 20, bei der zweiten 1 Meter 22 lang ist - auch das ist schon ein Problem...
Bei psychologischen Testverfahren sind solche Dinge schwierig - Messfehler sind nie auszuschließen. Also - sieht man sich eben die Werte an, setzt bei Bedarf mehrere Verfahren ein, beurteilt die Ergebnisse nach dem zugrundeliegenden theoretischen Modell, der Eichstichprobe, den Gütekriterien und der Aktualität. Erstaunlich genug, das so ein altes Verfahren wie der Rorschachtest immer noch eingesetzt wird...
Die Wissenschaft ist ständig im Fluss - und das gilt eben auch für Theorien der Persönlichkeit. Wenn man Jahrzehnte psychologischer Forschung einfach ignoriert, kann man natürlich auf ein altes Verfahren zurückgreifen... wenn es denn wenigstens brauchbare Werte in den einschlägigen Gütekriterien aufweisen würde. Das tut der Rorschachtest aber nicht und ist allein schon deshalb als wissenschaftliches Testverfahren unbrauchbar. Nun muss man aber nicht unbedingt einen empirischen Standpunkt vertreten und den Rorschachtest an den Kriterien der klassischen Testtheorie messen.
Schließlich hat sich ja auch die Psychoanalyse weiterentwickelt und dazu gehört eben auch die Ausarbeitung der OPD (Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik).
Warum also sollte jemand ein altes Verfahren einsetzen, das sowieso kaum noch jemand wirklich ernst nimmt? Aber zunächst zu der Frage, worüber sich die Leute eigentlich aufregen... Wikipedia hat alle Kleckse veröffentlicht. "Inklusive Interpretation" heisst es im Artikel auf Rooster24. Beim Stöbern fiel mir auf, dass so mancher Link nicht mehr abrufbar ist - vermutlich wurden einige Texte also schon wieder entfernt. Nehmen wir an, die Interpretationen wären wirklich nachzulesen - dann könnten alle Probanden, die mit diesen Klecksen konfrontiert werden, sich genau überlegen, was sie ihrem Analytiker erzählen, um eine bestimmte Interpretation nahezulegen oder andere auszuschließen. Besonders zuverlässig wäre das aber auch nicht, denn selbst dann, wenn sich die Anwender auf bestimmte Interpretationen "gut geeinigt haben", kann man nie wissen, was im Einzelfall so alles "herausgelesen" wird. Psychoanalytiker deuten - diese Grundhaltung ist mit dem Anliegen eines Testverfahrens, das ein bestimmtes Merkmal messen will, nicht vereinbar.
Warum werden eigentlich die Prüfungsaufgaben für Schulabgänger nicht veröffentlicht? Warum kann man nicht erfahren, welche Testbögen am Tag X vorgelegt werden, wenn es um den Führerschein geht?
Es ist nicht schwer zu erraten - es wäre unfair, denn wer genau weiss, welche Fragen gestellt werden, kann sich natürlich darauf vorbereiten. Auch dann würde es noch Unterschiede geben - aber die Situation, dass alle mit unbekannten Fragen konfrontiert werden, wäre nicht mehr gegeben.
Ein brauchbares Testverfahren zu entwickeln, das braucht Zeit und macht viel Arbeit. Neue Theorien machen ältere Verfahren fragwürdig, die Zeiten ändern sich und mit ihnen auch die Testnormen. Liegt die letzte Normierung Jahrzehnte zurück oder hat nie statt gefunden, hat ein Verfahren auch keine besondere Aussagekraft. Wird ein Verfahren kopiert und weitergegeben, sind die Fragestellungen eben nicht mehr neu - und dann kann niemand mehr aussschließen, ob ein hoher Testwert im Intelligenztest vielleicht nur auf ein besonderes Training zurückzuführen ist. Als Proband kann ich mir dann das Denken sparen - ich lerne einfach die "richtigen" Antworten auswendig und erscheine plötzlich genial. Kleiner Irrtum, aber vielleicht lebt es sich ganz gut mit einer solchen Selbsttäuschung und dem Lebensmotto "Einbildung statt Bildung". Die Tests, die im Internet (oft für teueres Geld) angeboten werden, sind Pseudotests, nette Spielereien, vielleicht mit Unterhaltungswert, ansonsten nicht ernst zu nehmen. Versprechen, man könne innerhalb kürzester Zeit seinen IQ um 30% steigern, sind einfach nur Unsinn.
Psychodiagnostik gehört in die Hände von Psychologen - und sonst nirgendwo hin. Psychologische Tests gehören nicht ins Internet - denn durch die Publikation der Fragen sind Verzerrungen, soziale Erwünschtheitseffekte und Fehlinterpretationen, die sowieso schon nie ganz auszuschließen sind, noch wahrscheinlicher. Eine Neunormierung wäre also das Mindeste, das geschehen müsste, um das Verfahren wieder einigermaßen brauchbar zu machen. Wissenschaftliche Testverfahren brauchen den Schutz des Copyright - wer sie kopiert, mit der Post verschickt, ins Internet stellt oder Laien (und dazu gehören auch die Mediziner, sorry) zur Verfügung stellt, entwertet sie auf jeden Fall - im Einzelfall bis zur völligen Wertlosigkeit.
Eines kann man sicher sagen - wenn die Rorschachkleckse erst einmal veröffentlicht sind, kann niemand mehr garantieren, dass Probanden frei assoziieren und spontan auf ein Bild reagieren, das sie nie zuvor gesehen haben und ohne sich irgendwelche Antworten zurechtgelegt zu haben. So gesehen ist die Publikation nur ein Grund mehr, den Rorschachtest dorthin zu befördern, wo er hingehört: in den Papierkorb.