Mit dem Begriff "Ablehnungssensiblität" meine ich das Phänomen, dass Menschen unterschiedlich stark auf Ablehnung reagieren, unterschiedlich empfindlich sind, was reale oder vermeintliche Ablehnung betrifft. Am deutlichsten wird dieser Effekt, wenn jemand ein Selbstbild entwickelt hat, das durch negative Schemata geprägt ist wie "keiner mag mich" oder "ich bin einfach doof, uninteressant" usw.
Es gibt noch weitere Zusammenhänge, die hier eher als Denkmodell und nicht als bereits ausgearbeitete Theorie vorgestellt werden sollen. Der Grundgedanke dabei ist die Vorstellung, dass die Reaktionen auf andere Meinungen, wertende oder kritische Bemerkungen von Interpretationsmustern abhängt, die sich in Form von Schemata (also formulierten Sätzen, die selbstwertbezogene Überzeugungen beschreiben) darstellen lässt. Verschiedene Ausprägungen müssten sich dann in Unterschieden bezüglich der Ablehnungssensibilität niederschlagen. Im Grunde interessiert mich dabei mehr das Individuum als eine statistische Gesetzmässigkeit. Frage also: wie geht es einer bestimmten Person mit verschiedenen Interpretationsmustern?
Wer das Kommunikationsmodell Schulz v. Thuns kennt, kann zu der Schlussfolgerung gelangen, dass Menschen, die stark auf dem "Beziehungsohr" hören, empfindlicher auf Kritik reagieren als Leute, die sich mehr auf das "Sachohr" konzentrieren. Die individuelle Frage dabei ist: komme ich besser mit anderen Meinungen, Einwänden und Kritik zurecht, wenn ich mich mehr auf die sachlichen Aspekte konzentriere?
Nach Interpretationsmustern zu fragen öffnet noch weitere Möglichkeiten.
Als Beispiel:
"Wer eine andere Meinung vertritt, lehnt mich ab"
Es geht hier nicht um die Frage, ob das wirklich so ist, sondern wie die Äußerungen anderer Meinungen interpretiert werden - dort wo dieses Schema wirksam ist, müsste (so meine Hypothese) eine erhöhte Ablehnungssensibilität auftreten. Ganz anders dürften das innere Erleben aussehen, wenn ein anderes Schema wirksam ist, etwa:
"Andere Meinungen sind anregend"
Die Konsequenzen können dabei unterschiedlich sein - gekoppelt an das Motiv, andere von der je eigenen Meinung zu überzeugen, wird eher ein Streitgespräch entstehen. Unterschiede werden sich auch ergeben, wenn nicht das Rechtbehaltenwollen im Vordergrund steht, sondern Kontakt und Austausch sich - wenn es mehr um das "Streiten an sich" geht und es dabei nebensächlich ist, was von der eigenen Auffassung am Ende noch übrigbleibt, sind andere Auffassungen keinesfalls ein Zeichen von Ablehnung.
Verstehen ist immer ein "Verstehen-als". Finden sich in der Kommunikationsbiographie prägende Erfahrungen, in denen die eigene (abweichende) Meinung als "falsch", "dumm" oder "inakzeptabel" bezeichnet wurde, liegt es nahe, von einer erhöhten Ablehnungssensibilität auszugehen. Wer dagegen häufiger die Erfahrung gemacht hat, dass kontroverse Aufassungen sehr spannend sein können, das Streiten (verstanden als argumentative Auseinandersetzung, in der es um die Sache geht und nicht darum, sich gegenseitig "fertig zu machen") Spass machen und den Horizont erweitern kann, wird ganz anders reagieren können.
In Konfliktsituationen zu berücksichtigen, dass in der eigenen Biographie, aber auch bei anderen möglicherweise Kommunikationsnarben entstanden sind, die sich in erhöhter Ablehnungssensibiltät niederschlagen können, bedeutet konkret, nach solchen Interpretationsmustern zu fragen. Dort, wo es möglich wird, die Schemata zu erkennen und zu bearbeiten, die für empfindliche Reaktionen verantwortlich sind, zeigen sich Ansatzpunkte, anders zu reagieren. Gibt es in diesem Zusammenhang auch "gesunde" oder "realistische" Schemata?
Als generalisierte Haltung ist die erste Variante ("wer eine andere Meinung vertritt, lehnt mich ab") problematisch. Realistisch (aus meiner eigenen Lebenserfahrung heraus) ist die Annahme, dass andere, auch gegensätzliche Auffassungen keinesfalls automatisch "Ablehnung" bedeuten. Hilfreich also müsste es sein, wenn sich die Erfahrung kontroverser Auseinandersetzungen mit angenehmen Gefühlen verbinden lässt - wertvoll also ist demnach das Erlebnis, "anders denken zu dürfen" und auch mit vorläufigen, wenig durchdachten, fragwürdigen Ansichten angenommen zu sein. Dort nämlich entsteht die Freiheit, im Gespräch über das eine oder andere nachzudenken, eigene Standpunkte neu zu formulieren und Einwände zu berücksichtigen.
Der Zusammenhang verschiedener Rollensegmente wirft weitere Fragen auf: ist Ablehnungssensibilität ein Persönlichkeitsmerkmal, das in verschiedenen Rollensegmenten unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann? Zumindest theoretisch wäre es möglich, dass jemand in der Rolle als Fachmann (oder Fachfrau) souverän mit Kritik umgehen kann, fundiert und sicher argumentieren kann, durch Fragen oder Einwände nicht aus der Ruhe zu bringen ist. Geht es dagegen um persönliche Fragen und private Dinge, könnte eine weitaus höhere Sensibilität zu Problemen führen, auch dort souverän mit Einwänden umzugehen. Auch die umgekehrte Situation ist denkbar. Was den einen auf die Palme bringt, lässt den anderen völlig kalt. Was mich in einem bestimmten Rollensegment reizt und herausfordert, offensive Kontaktaufnahme auslöst, führt in einem anderen vielleicht zu Frustration und Rückzug.
Sich all diese Dinge bewusst zu machen ist alles andere als leicht. Ablehnung zu erfahren ist unangenehm. Aber es ist ein Unterschied, ob man sich abgelehnt fühlt oder wirklich abgelehnt wird. Täuschungen, Irrtümer und Missverständnisse sind allgegenwärtig. In Wirklichkeit könnte so manches auch irgendwie ganz anders sein. Es gibt noch einen Spruch: "diejenigen, die mich mögen, kennen mich, diejenigen, die mich nicht mögen, können mich". Dass sich alle in allem einig sind oder werden, das ist eine Utopie und nicht einmal eine wünschenswerte. Was auch immer ich wie auch immer betrachte - irgendjemand auf der Welt wird es ziemlich sicher anders sehen. Und?
Es gibt noch weitere Zusammenhänge, die hier eher als Denkmodell und nicht als bereits ausgearbeitete Theorie vorgestellt werden sollen. Der Grundgedanke dabei ist die Vorstellung, dass die Reaktionen auf andere Meinungen, wertende oder kritische Bemerkungen von Interpretationsmustern abhängt, die sich in Form von Schemata (also formulierten Sätzen, die selbstwertbezogene Überzeugungen beschreiben) darstellen lässt. Verschiedene Ausprägungen müssten sich dann in Unterschieden bezüglich der Ablehnungssensibilität niederschlagen. Im Grunde interessiert mich dabei mehr das Individuum als eine statistische Gesetzmässigkeit. Frage also: wie geht es einer bestimmten Person mit verschiedenen Interpretationsmustern?
Wer das Kommunikationsmodell Schulz v. Thuns kennt, kann zu der Schlussfolgerung gelangen, dass Menschen, die stark auf dem "Beziehungsohr" hören, empfindlicher auf Kritik reagieren als Leute, die sich mehr auf das "Sachohr" konzentrieren. Die individuelle Frage dabei ist: komme ich besser mit anderen Meinungen, Einwänden und Kritik zurecht, wenn ich mich mehr auf die sachlichen Aspekte konzentriere?
Nach Interpretationsmustern zu fragen öffnet noch weitere Möglichkeiten.
Als Beispiel:
"Wer eine andere Meinung vertritt, lehnt mich ab"
Es geht hier nicht um die Frage, ob das wirklich so ist, sondern wie die Äußerungen anderer Meinungen interpretiert werden - dort wo dieses Schema wirksam ist, müsste (so meine Hypothese) eine erhöhte Ablehnungssensibilität auftreten. Ganz anders dürften das innere Erleben aussehen, wenn ein anderes Schema wirksam ist, etwa:
"Andere Meinungen sind anregend"
Die Konsequenzen können dabei unterschiedlich sein - gekoppelt an das Motiv, andere von der je eigenen Meinung zu überzeugen, wird eher ein Streitgespräch entstehen. Unterschiede werden sich auch ergeben, wenn nicht das Rechtbehaltenwollen im Vordergrund steht, sondern Kontakt und Austausch sich - wenn es mehr um das "Streiten an sich" geht und es dabei nebensächlich ist, was von der eigenen Auffassung am Ende noch übrigbleibt, sind andere Auffassungen keinesfalls ein Zeichen von Ablehnung.
Verstehen ist immer ein "Verstehen-als". Finden sich in der Kommunikationsbiographie prägende Erfahrungen, in denen die eigene (abweichende) Meinung als "falsch", "dumm" oder "inakzeptabel" bezeichnet wurde, liegt es nahe, von einer erhöhten Ablehnungssensibilität auszugehen. Wer dagegen häufiger die Erfahrung gemacht hat, dass kontroverse Aufassungen sehr spannend sein können, das Streiten (verstanden als argumentative Auseinandersetzung, in der es um die Sache geht und nicht darum, sich gegenseitig "fertig zu machen") Spass machen und den Horizont erweitern kann, wird ganz anders reagieren können.
In Konfliktsituationen zu berücksichtigen, dass in der eigenen Biographie, aber auch bei anderen möglicherweise Kommunikationsnarben entstanden sind, die sich in erhöhter Ablehnungssensibiltät niederschlagen können, bedeutet konkret, nach solchen Interpretationsmustern zu fragen. Dort, wo es möglich wird, die Schemata zu erkennen und zu bearbeiten, die für empfindliche Reaktionen verantwortlich sind, zeigen sich Ansatzpunkte, anders zu reagieren. Gibt es in diesem Zusammenhang auch "gesunde" oder "realistische" Schemata?
Als generalisierte Haltung ist die erste Variante ("wer eine andere Meinung vertritt, lehnt mich ab") problematisch. Realistisch (aus meiner eigenen Lebenserfahrung heraus) ist die Annahme, dass andere, auch gegensätzliche Auffassungen keinesfalls automatisch "Ablehnung" bedeuten. Hilfreich also müsste es sein, wenn sich die Erfahrung kontroverser Auseinandersetzungen mit angenehmen Gefühlen verbinden lässt - wertvoll also ist demnach das Erlebnis, "anders denken zu dürfen" und auch mit vorläufigen, wenig durchdachten, fragwürdigen Ansichten angenommen zu sein. Dort nämlich entsteht die Freiheit, im Gespräch über das eine oder andere nachzudenken, eigene Standpunkte neu zu formulieren und Einwände zu berücksichtigen.
Der Zusammenhang verschiedener Rollensegmente wirft weitere Fragen auf: ist Ablehnungssensibilität ein Persönlichkeitsmerkmal, das in verschiedenen Rollensegmenten unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann? Zumindest theoretisch wäre es möglich, dass jemand in der Rolle als Fachmann (oder Fachfrau) souverän mit Kritik umgehen kann, fundiert und sicher argumentieren kann, durch Fragen oder Einwände nicht aus der Ruhe zu bringen ist. Geht es dagegen um persönliche Fragen und private Dinge, könnte eine weitaus höhere Sensibilität zu Problemen führen, auch dort souverän mit Einwänden umzugehen. Auch die umgekehrte Situation ist denkbar. Was den einen auf die Palme bringt, lässt den anderen völlig kalt. Was mich in einem bestimmten Rollensegment reizt und herausfordert, offensive Kontaktaufnahme auslöst, führt in einem anderen vielleicht zu Frustration und Rückzug.
Sich all diese Dinge bewusst zu machen ist alles andere als leicht. Ablehnung zu erfahren ist unangenehm. Aber es ist ein Unterschied, ob man sich abgelehnt fühlt oder wirklich abgelehnt wird. Täuschungen, Irrtümer und Missverständnisse sind allgegenwärtig. In Wirklichkeit könnte so manches auch irgendwie ganz anders sein. Es gibt noch einen Spruch: "diejenigen, die mich mögen, kennen mich, diejenigen, die mich nicht mögen, können mich". Dass sich alle in allem einig sind oder werden, das ist eine Utopie und nicht einmal eine wünschenswerte. Was auch immer ich wie auch immer betrachte - irgendjemand auf der Welt wird es ziemlich sicher anders sehen. Und?
Hi Rolf, starker Artikel. Da steckt ne Menge drin. Muss es aber noch 2-3 Mal lesen, damit ich verstehe, in welche Kategorie ich derzeit bin....
AntwortenLöschenHallo Jürgen, die Rolle des Vaters, der seine Kinder schützen will, dürfte ein Ansatzpunkt sein.
AntwortenLöschenDas auf jeden Fall! Ich werde wohl meinen Artikel über die Hinrichtung der Dealer im Iran löschen. Den Rest lasse ich stehen. Ich hoffe nur, dass mein Post dazu nicht wieder so eine Lawine auslöst?!
AntwortenLöschenOb eine "Lawine" entsteht, hängt wohl davon ab, was im Post drin steht... Zumindest habe ich den Eindruck, dass der umstrittene Artikel aus der Rolle des Vaters entstanden ist. Die Leser reagierten aber auf den Blogger, der eine harte Position vertritt - und daraus entstanden die Angriffe. Daraus wiederum entstand die Erfahrung, abgestempelt und in die Ecke gestellt zu werden.
AntwortenLöschenBlogposts sind eben öffentlich... jeder kann sie lesen. Eine gewisse Vorsicht ist da schon angebracht.
Das habe ich kapiert und auch ne Menge dazu gelernt und das in meinem Alter....
AntwortenLöschenÄlter werden ist Wachsen und Reifen...
AntwortenLöschenund es ist anstrengend....So, es ist raus! Jetzt geht es mir besser.
AntwortenLöschenPersönliches Wachstum führt nie am Leiden vorbei - sondern mitten hindurch. Jetzt bin ich mal gespannt auf die Lawine...
AntwortenLöschenich glaube nicht, dass es eine Lawine geben wird. Falls doch, muss ich wohl noch mal durch ;-)und weiter lernen und wachsen, stöhn
AntwortenLöschenZur Not müssen eben die Türen etwas höher werden (oder breiter?). Oder... Kopf einziehen.
AntwortenLöschen"Persönliches Wachstum führt nie am Leiden vorbei - sondern mitten hindurch."
AntwortenLöschenDie Aussage gefällt mir sehr gut und macht gleichzeitig nachdenklich. Leiden nicht nur als Chance auf Wachstum, sondern quasi als der einzige Weg dazu. Hm...darf da der Umkehrschluß gezogen werden, dass nicht wachsen kann, wer nicht gelitten hat? *überleg*
lg Sabine
@ Sabine: Fritz Perls sagt mal: "Die Menschen wachsen nicht, weil sie nicht leiden wollen." In manchen Bereichen setzt das Wachstum Veränderungen voraus, die erstmal unangenehm sind - und wer sich davor drückt, sich dem Unangenehmen nicht aussetzen will, kann an dieser Stelle dann auch nicht wachsen. An diesem Umkehrschluss ist also schon was dran.
AntwortenLöschenlg Rolf