Psychosophie

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In der Begegnung mit anderen Menschen können wir uns selbst und andere besser verstehen lernen. Wenn wir miteinander sprechen, begegnen sich subjektive Welten. Vielleicht entstehen daraus Einsichten, die für das je eigene Leben von Bedeutung sind.

Dienstag, 20. April 2010

Wenn Patienten ihre Medikamente nicht nehmen wollen

Anmerkung: hier geht es um medizinische Kommunikation - für Ärztinnen und Ärzte, gleich welcher Fachrichtung...

Wenn Patienten ihre Tabletten nicht nehmen… kommen Ärzte in einen Argumentationsnotstand. Die Voraussetzung, dass ihre Autorität anerkannt ist, ärztliche Anweisungen demnach auch ausgeführt werden, ist (heute) keine Selbstverständlichkeit mehr. Die Frage ist, ob es hier wirklich um einen Argumentationsnotstand geht oder eher um ein Zeitproblem – die Vorstellung, es würde ja schließlich viel zu lange dauern, die Zusammensetzung, Wirkung und mögliche Nebenwirkungen eines Medikaments zu erläutern, geht vielleicht von einer Zeitvorstellung aus, die sich auf 5-10 Minuten bezieht. Das aber kommt auf einen Versuch an…  In 30 Sekunden lassen sich genug Informationen vermitteln, um die Bedeutung eines Medikaments zu erläutern. Wer es nicht glauben will: ausprobieren und Zeit stoppen…

Der Kerngedanke dabei ist der Verzicht auf einen akademischen Vortrag, eine bewusste Auswahl, die Beschränkung auf das Wesentliche, die Konzentration auf Aussagen, die zur Einnahme der verordneten Tabletten motivieren – Überzeugen ist die Devise, die Frage also, welche Informationen aus der Patientenperspektive wichtig sind. Ein kurze Argumentationslinie als Fünfsatz vorzubereiten – das macht zunächst Arbeit, wird aber mit einiger Übung zur Routine. Es erscheint sinnvoll, zunächst dort anzusetzen, wo die Weigerung, Medikamente einzunehmen, zu ernsthaften Problemen führt – Folgen, die Laien möglicherweise nicht bekannt sind oder die sie unterschätzen.  Der Begründungsgang ist als Gliederungsvorschlag nicht mehr als ein Entwurf:

1. Probleme: Symptome und Gefahren

Von den Problemen des Patienten auszugehen bedeutet, Probleme und Symptome zu benennen – und daran orientiert mögliche Entwicklungen zu beschreiben.  Die Vorstellung, dass Patienten ihre Beschwerden loswerden wollen und wenig Interesse an weiteren Schmerzen, Entzündungen usw. haben, ist eine recht vernünftige Ausgangsbasis.

2. Medikamente und ihre Wirkung

Nehmen wir an, der Patient hat Schmerzen. Das Medikament, das verordnet wird, nimmt die Schmerzen. Aha. Das Prinzip: den Nutzen aus der Patientenperspektive erläutern. Die genaue Zusammensetzung und Wirkungsweise ist dabei für die meisten irrelevant. Kritische Patienten werden hier nach möglichen Nebenwirkungen fragen – und vielleicht aus der Behandlung aussteigen, wenn die erwartete Wirkung nicht eintritt, wenn unerwünschte Nebenwirkungen tatsächlich eintreten. Gehen wir davon aus, dass bestimmte Wirkungen nur als Wahrscheinlichkeitsaussage bekannt sind, lässt sich kaum voraussehen, ob seltene Wirkungen in einem bestimmten Einzelfall nun wirklich auftreten oder nicht.  Die Frage ist, ob in diesen Fällen wirklich eine Rückmeldung erfolgt – oder die Einnahme der Medikamente stillschweigend oder offen verweigert wird. Wenn der Verzicht auf die Medikamente ernsthafte Probleme nach sich ziehen kann, sind Nebenwirkungen ein wichtiges Thema – die kurze Argumentationslinie sollte deshalb zumindest einen Vorschlag beinhalten, was geschehen kann, wenn unerwünschte Nebenwirkungen auftreten. Eine Rückmeldung an den Arzt ist auf jeden Fall besser als das verdeckte Absetzen.

3. Wirkungsziele und Behandlungsplan

Manche Medikamente wirken nur bei regelmäßiger Einnahme, bei anderen dauert es seine Zeit, bis sie ihre Wirkung entfalten.  Morgens die gesamte Tagesdosis einzunehmen kann gefährlich sein. Und so weiter…

Insgesamt ergibt sich ein Grundmuster aus knappen Aussagen, die in wenigen Sekunden vermittelbar sind.

Warum dieses Medikament?          
  • (Probleme des Patienten beschreiben, Symptome und Gefahren benennen)  
  • Medikament kann Symptom reduzieren/beseitigen – bei Nebenwirkungen Rückmeldung geben  
  • Medikament wirkt nur bei regelmäßiger Einnahme (Bsp.), 
deshalb: 3 x tgl…(o.ä.) (konkrete Hinweise zur Einnahme des Medikaments)

Das Muster kann und will nicht mehr sein als ein Entwurf – welche Details bei welchem Medikament wichtig und sinnvoll sind, muss sich aus der ärztlichen Praxis ergeben. 

Das Grundmuster lässt sich übrigens auch auf die Situation übertragen, in der aus medizinischer Sicht auf die Verschreibung eines Medikaments verzichtet wird. Eine solche Entscheidung kann in ihrer Rationalität intransparent bleiben, wenn sie nicht begründet wird. Eine Begründung kann individuell sein – etwa wenn substanzspezifische Allergien oder sonstige Unverträglichkeiten vorliegen, aber auch allgemein formuliert sein:  wenn Fachverbände oder Fachgesellschaften spezifische Leitlinien (etwa für die Verschreibung von Schlafmitteln) herausgeben, denken sie sich in der Regel auch etwas dabei. Aus der Patientenperspektive macht es einen Unterschied, ob ein Medikament einfach so verweigert wird oder eine fachliche Argumentation das medizinische Verantwortungsbewusstsein transparent macht.

Schlussbemerkung: dieser Text ist nicht aus der Perspektive eines praktizierenden Arztes geschrieben worden, sondern aus dem Bemühen entstanden,  ein mögliches Kommunikationsproblem einer Lösung näher zu bringen… Es kann und will nicht mehr sein als eine Anregung, die sich (so meine Hoffnung) weiter entwickeln und konkret anwenden lässt.

s. auch: Informationstherapie in der Medizin 

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