Psychosophie

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In der Begegnung mit anderen Menschen können wir uns selbst und andere besser verstehen lernen. Wenn wir miteinander sprechen, begegnen sich subjektive Welten. Vielleicht entstehen daraus Einsichten, die für das je eigene Leben von Bedeutung sind.

Mittwoch, 28. April 2010

Werte, Wissenschaft und Politik

Dürfen sich Forscher für den Klimaschutz einsetzen? Die Frage berührt grundsätzlich das Verhältnis von Wissenschaft und Politik, im Artikel in der ZEIT werden zwei gegensätzliche Auffassungen gegenübergestellt. Beide sind Klimaforscher, der eine (Mojib Latif) spricht von Verantwortung, der andere (Hans von Storch) über die Bereitstellung von Wissen im politischen Willensbildungsprozess. Die Standpunkte beziehen sich auf unterschiedliche Wertvorstellungen - Verantwortungsbewusstsein legt politische Aktivität nahe, Neutralität dagegen politische Zurückhaltung. Am Beispiel des Themenfelds 'Klimawandel und Klimaschutz' lässt sich zeigen, dass es verschiedene Ebenen in der Diskussion gibt, die gelegentlich vermischt werden und durcheinander geraten. Mir geht es jetzt nicht darum, zu beurteilen, wer von den beiden nun Recht hat, sondern einfach um die Beschreibung dieser Ebenen.

1. Ebene: Theorien

Die Diskussion über Theorien wird meist innerhalb der Wissenschaften geführt. Nüchtern betrachtet ist es jederzeit möglich, dass es mehrere Theorien gibt, die miteinander konkurrieren. Langfristig setzt sich meist die eine oder andere Theorie durch. Theorien werden gelegentlich ergänzt, modifiziert, durch neue ersetzt.

2. Ebene: Befunde

Befunde kommen dem am nächsten, was in der Alltagssprache als 'Tatsache' bezeichnet wird. Untersuchungen, Messungen, Experimente: methodisch sauber und korrekt dargestellt sind sie überprüfbar. Wer hier Zweifel anmeldet, kann im Prinzip selbst nachmessen, sofern ihm die Möglichkeiten zur Verfügung stehen.

3. Ebene: Prognosen

Prognosen sind Berechnungen, die auf einem bestimmten Modell beruhen. Diese Modelle gehen von bestimmten Annahmen aus - dass die Wirkungszusammenhänge erkannt sind und in der Zukunft in derselben Weise Ereignisse beeinflussen. Verändert sich das Modell, verändern sich sehr wahrscheinlich auch die Prognosen.

4. Ebene: Schlußfolgerungen

Aus vorliegenden Befunden lassen sich meist mehrere Schlußfolgerungen ableiten. Schlußfolgerungen können formal falsch sein - oder durch neue Befunde widerlegt werden. Ein beliebtes Beispiel in Vorlesungen zur Wissenschaftstheorie ist die Behauptung "alle Schwäne sind weiß". Wenn man zehn Schwäne gesehen hat, die alle weiß waren, kann man durchaus auf diese Idee kommen... Ein einziger schwarzer Schwan belegt aber, dass die Schlußfolgerung falsch war. Die beobachteten zehn weißen Schwäne sind deshalb trotzdem 'da'.

5. Ebene: (Politische) Meinungen

Meinungen können durch wissenschaftliche Befunde und die Schlußfolgerungen, die daraus abgeleitet wurden, begründet sein. Sie sind aber nicht im wissenschaftlichen Sinn 'beweisbar'.

6. Ebene: (Politische) Ziele

Ziele lassen sich aus einer rein deskriptiven verstandenen WIssenschaft nicht ableiten. Rational können Ziele sein durch den Bezug auf Meinungen, Schlußfolgerungen und Werte. Ziele sind, wie Meinungen auch, begründbar - aber nicht Gegenstand der Wissenschaft.

7. Ebene: Werte

Wissenschaft kann niemals wertfrei sein, denn Wahrheit ist selbst ein Wert. Das zumindest ist meine Meinung, und damit wird zum Ausdruck gebracht, dass man Wissenschaft auch anders sehen kann. Nimmt man Begriffe wie 'Relevanz', 'Nützlichkeit' oder 'Lebensqualität' hinzu, bedeutet das, dass Wissenschaft wertvoll ist, oder vorsichtiger formuliert: wertvoll sein kann. Und (das ist ebenfalls eine Meinung) an Wert verliert, wenn sie durch politische, wirtschaftliche oder finanzielle Interessen in eine bestimmte Richtung gelenkt wird, wenn Themen, Ergebnisse und Schlußfolgerungen einseitig verzerrt werden.

Diese Ebenen klar zu trennen und in Diskussionen im Hinterkopf zu behalten (ob es nun um Klimaschutz geht oder etwas anderes) könnte durchaus zu einer konstruktiven Gestaltung des Dialogs beitragen. Der Frage, ob Klimaforscher sich nun für den Klimaschutz einsetzen dürfen oder nicht, möchte ich eine zweite Frage zur Seite stellen: wo fängt die Wissenschaft an und wo hört sie auf? Werden die Bereiche Werte, Wissenschaft und Politik klar genug abgegrenzt, ist es für 'normal Sterbliche' nachvollziehbar, wer sich gerade auf welcher Ebene bewegt? Könnte es sein, dass die Diskussionen über Klimaschutz vor allem dort unproduktiv werden, wo es um Werte geht, die sich trotz allem Bemühen eben nicht wissenschaftlich begründen oder belegen lassen?

*

1 Kommentar:

  1. Eindeutig dürfen sich Forscher für den Klimaschutz einsetzen. Sie sind ja nicht nur die Funktion, sondern Menschen.
    Maschinen und Computer dürften sich für nichts einsetzen, wenn sie es könnten.
    So hätte ich mir gewünscht, dass die Forschung ganz klar zu Atomwaffen und Atomkraft Stellung bezogen hätte. Im Falle der Kernwaffen ist dies ja auch geschehen. Das Prolbem scheint mir immer zu sein, dass Forschung vom Staat, der Allgemeinheit finanziert wird und deshalb nur Ergebnisse präsentieren, aber nicht interpretieren darf, weil das vielleicht dem Auftraggeber missfällt.

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