Psychosophie

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In der Begegnung mit anderen Menschen können wir uns selbst und andere besser verstehen lernen. Wenn wir miteinander sprechen, begegnen sich subjektive Welten. Vielleicht entstehen daraus Einsichten, die für das je eigene Leben von Bedeutung sind.

Samstag, 17. April 2010

Klimaschutz: neue Argumente oder neue Polemik?

"Zwei Grad und nicht mehr" - so lautet der Titel eines Artikels in der ZEIT, der sich mit den Angriffen auf den Klimaschutz auseinandersetzt. Die Autoren sitzen im Wissenschaftlichen Beirat Globale Umweltveränderungen und verteidigen das Zwei-Grad-Ziel, das im Copenhagen Accord zumindest als Leitlinie aufgenommen ist. Das Anliegen meiner Analyse bezieht sich die Argumentationsstrukturen: wo also sind Thesen und Schlußfolgerungen rund um das Thema begründet und an welchen Stellen tritt die Polemik in den Vordergrund?

Zunächst die Fragestellungen:

War die Klimakonferenz ein Fehlschlag oder doch ein Schritt in die richtige Richtung?
Ist der Bericht des Weltklimarats IPCC falsch?
Gibt es den Klimawandel überhaupt?
Ist die Hockeyschlägerkurve widerlegt?
Ist der Einwand, Klimawandel habe es schließlich auch in früheren Zeiten gegeben, berechtigt?
Müssen wir mit Klimafolgeschäden aufgrund der fortschreitenden globalen Erwärmung rechnen?
Sind Klimaschutzmaßnahmen wichtig - oder ist auch eine Anpassung an ein verändertes Klima möglich?
Was ist Risikomanagement und wie sollte es aussehen?

Die entscheidende Frage betrifft zunächst den Klimawandel überhaupt - genauer betrachtet sind es hier zwei Fragen, die unterschiedlich beantwortet werden: ob es ihn gibt und wenn ja, ob er 'menschengemacht', also Folge der Kohlendioxidemissionen ist.
Das Problem, das Wurzel und Grundlage vieler polemischer Äusserungen ist, liegt im Bericht des Weltklimarates, der zumindest eine Fehlprognose enthalt: dass der Himalaya bis 2035 eisfrei ist, gilt inzwischen als widerlegt. Die Verteidiger des Zwei-Grad-Ziels (namentlich Prof. Hans Joachim Schellnhuber, Institut für Klimafolgenforschung in Potsdam, Prof. Claus Leggewie, Kulturwissenschaftliches Institut Essen, Professorin Renate Schubert, Institut für Umweltentscheidungen Zürich) räumen Fehler im Bericht des IPCC ein, aber sie seien 'an einer Hand abzählbar'. Die Schwierigkeit im Problemfeld liegt darin, dass wissenschaftliche, politische und technologische Fragestellungen miteinander verbunden werden - was einerseits der Bedeutung des Themas gerecht wird, andererseits aber auch eine breite Angriffsfläche für mehr oder weniger unsachliche Argumentationslinien, Zweifel und Bedenken liefert.
Es ist mühsam, herauszufiltern, was denn nun (noch) stimmt und was nicht - es ist der Sache aber auch nicht dienlich, wenn aufgrund einzelner Fehler der gesamte Bericht des IPCC verworfen wird. Eine Aussage aus dem ZEIT-Artikel möchte ich deshalb unterstreichen:

"Es ist wünschenswert, dass die Forschung zum Klimawandel und die Berichterstattung des IPCC darüber auf immer neue Prüfstände kommen."

Forschung wird in der Regel sowieso ständig überprüft - lässt sich aber auch leicht in Frage stellen, wenn politische oder finanzielle Interessen unterstellt werden, die gewisse Ergebnistendenzen nahelegen. Und die Berichterstattung lässt sich überprüfen, wenn die zugrundeliegenden Forschungsergebnisse transparent gemacht werden und damit nachvollziehbar sind. Bei alledem scheint das Problem weniger in der Klimaforschung selbst, sondern in der Art und dem konkreten Vollzug der Wissenschaftskommunikation zu liegen. Um in diesem komplizierten Geflecht etwas mehr Klarheit zu schaffen, scheint es mir sinnvoll, verschiedene Bereiche und Fragestellungen voneinander zu trennen:

1. Es gibt es empirische Daten, die messbar und darstellbar sind.
2. Es gibt Prognosen, die Wahrscheinlichkeitsaussagen zum Ausdruck bringen - und davon abhängen, welches Modell zugrunde gelegt wird.
3. Es gibt Ziele, die sich aus der Forschung selbst nicht ableiten lassen.
4. Politische Entscheidungen lassen sich vor dem Hintergrund bestimmter Ziele beurteilen.
5. Wünschenswerte technologische Entwicklungen hängen in ihrer Beurteilung ebenfalls von formulierten Zielen ab.

Zurück zum Gletscher: die Prognose war falsch. Das bedeutet natürlich nicht, dass sämtliche empirische Daten, auf die sich der Bericht des IPCC bezieht, ebenfalls falsch sind. Wer die Ebenen nicht sauber voneinander trennt, kann aber zu dem Schluß kommen, dass die Klimaforschung eben "nicht stimmt" - und dann liegt das Problem in der Glaubwürdigkeit eines Forschungsbereiches, der sich in die Politik einmischt, aber stellenweise eben doch auf wackeligen Beinen steht. Prognose bedeutet eben: "wir wissen es nicht, wir machen eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit, mit der bestimmte Ereignisse unter bestimmten Voraussetzungen auftreten werden". Aus diesen Prognosen wiederum lassen sich Ziele ableiten - wenn sich die Grundlagen nicht verändert haben, ist es logisch, dass die Zielvorstellung "maximal 2 Grad" ebenso konstant bleibt. Streng genommen ist es aber keine wissenschaftliche Aussage - sie kann also nicht empirisch belegt werden, sondern ist begründbar mit Bezug auf empirische Forschung, rational vor dem Hintergrund des aktuellen Forschungsstands - und potentiell revisionsbedürftig, wenn sich neue Erkenntnisse zeigen.

Neue Argumente scheint es im Moment nicht zu geben, die Sachlage ist und bleibt kompliziert. Skeptiker gibt es immer noch und die These, dass es den Klimawandel überhaupt nicht gibt, scheint in manchen Köpfen recht stabil zu sein. Die Frage ist, ob sich dahinter rationale Einsicht verbirgt oder ein Igeleffekt, soll heißen: "die ganze Geschichte ist zu kompliziert und beängstigend, also denken wir besser nicht darüber nach". Polemik hilft an dieser Stelle nicht weiter - eher schon das Bemühen um Glaubwürdigkeit und der kritische Blick auf die Darstellung eines komplexen Problems. Wie schwierig es ist, einen globalen Konsens zu finden, der die Bemühungen der ganzen Welt auf ein einziges Ziel ausrichtet, das hat die Konferenz in Kopenhagen deutlich gezeigt. Trotz alledem sind Überlegungen zum Umweltschutz und Klimaschutz nicht unsinnig geworden. Die Frage ist, ob eine neue Diskussion über Sinn und Unsinn des Zwei-Grad-Zieles eine sinnvolle Entwicklung auslösen kann. Vielleicht würde es mehr bringen, Teilprobleme abzugrenzen, einzelne Fragen zu bearbeiten und zu klären, Ansätzen nachzugehen, die an irgend einer Stelle etwas Konstruktives bewirken.

Aus den Kommentaren zum Artikel in der ZEIT habe ich einen Link herausgefischt, den ich hier noch einfügen möchte: "Wo Wüsten Hokuspokus sind" lautet der Titel in der Süddeutschen. Darin geht es um gezielte Aktionen gegen die Glaubwürdigkeit der Klimaforschung - aus wirtschaftlichen Interessen heraus. Es bleibt also nichts anderes übrig, als immer wieder neu nach der Wahrheit zu fragen - und zu berücksichtigen, dass immer wieder gern Sachverhalte so dargestellt werden, dass sie den eigenen Interessen möglichst nicht im Wege stehen. Etwas mehr Sachlichkeit und Vernunft würde dem Klima der Klimadiskussionen sicher gut tun.

s. auch:

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