Die Fakten in aller Kürze: die UNO will ein unabhängiges Expertengremium einsetzen, das die Arbeit des Klimarates kontrollieren soll. Die Frage 'Kontrolle oder Transparenz?' zielt dabei auf das grundsätzliche Verständnis von Wissenschaft ab und markiert eine spontane Reaktion auf die Meldung. Ist Kontrolle überhaupt nötig, wenn die Forschung transparent ist?
Zunächst einmal erscheint mir die Aufklärung und die Intention, einen kritischen Blick auf die Arbeit des IPCC zu werfen, konsequent und angemessen. Im Prinzip aber dürfte Kontrolle nicht nötig sein - wenn das System Wissenschaft wirklich funktioniert. Dann nämlich würde sich die Fachwelt selbst kontrollieren, deutlich markieren, was eine Vermutung, eine Hypothese, Theorie oder ein gut bestätigter empirischer Zusammenhang ist. Prognosen sind eben Schätzungen, die von einem bestimmten Modell ausgehen - und dort, wo man nachmessen, überprüfen, Klimamodelle analysieren und Schwachstellen problematisieren kann, lassen sich auch fragwürdige und unsichere Schlußfolgerungen schnell erkennen. Sollte man meinen....
So manche Theorie, die auf wackeligen Beinen steht, kann im Alltag durchaus brauchbar sein. Klimaforschung beschäftigt sich aber mit Fragestellungen, die politisch relevant sind und die gesamte Menschheit betreffen. Dort also ist Transparenz und Sorgfalt dringend geboten - die Möglichkeit, die Ergebnisse der Klimaforschung in Frage zu stellen, sie damit als fragwürdig vom Tisch zu wischen war (so meine Einschätzung) ein wesentlich größeres Problem während der Klimakonferenz als Yvo de Boer, den ich persönlich nun überhaupt nicht für das klägliche Ergebnis verantwortlich machen kann. Wenn Politiker miteinander vernünftige Entscheidungen treffen wollen , sollen und müssen, weil es um elementare globale Probleme geht, dann brauchen sie Fakten.
Politiker, die nicht selbst in der Klimaforschung tätig sind, müssen sich unbedingt darauf verlassen können, dass das, was man ihnen präsentiert, auch wirklich Hand und Fuss hat.
Ein anderer Aspekt ist die Darstellung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse in der Öffentlichkeit - vielleicht ist es dringend nötig, so manches Prinzip näher zu erläutern. Dazu gehört auch die Auffassung, dass eine Theorie nicht aufgrund einer einzelnen Untersuchung einfach so ad acta gelegt werden sollte - wenn also Teilergebnisse aus dem Bericht des IPCC nicht mehr haltbar sind, bedeutet das nicht, dass alles andere ebenfalls falsch ist.
Es ist kein schlechtes, sondern ein gutes Zeichen, wenn neuere Ergebnisse eine Revision oder Korrektur der Schlußfolgerungen nahe legen. Wissenschaft ist eben ein Prozess - und das mag Verwirrung stiften, weil dabei der Eindruck entsteht, die Experten würden sich immer wieder selbst widersprechen und damit nur von einer vagen Vermutung zur nächsten eilen.
Was dabei herauskommen kann, hat Florian Freistetter in seinem Beitrag über ein Video gezeigt - wer nicht versteht, wie Wissenschaft funktioniert, erklärt das Ganze einfach für 'dumm'.
Dass Wissenschaft immer wieder neue Erkenntnisse liefert, ist übrigens nicht nur eine persönliche Meinung des eben erwähnten Astronomen - es ist eine Tatsache. Es ist ein Beleg dafür, dass Wissenschaft eben gerade nicht dogmatisch ist, sondern permanent hinterfragt werden kann, darf und auch wird. Es gibt aber auch typische Konventionen, die nicht jede Form der Kritik als wissenschaftlich relevant gelten lassen. Typisch für die empirischen Wissenschaften ist eben die Frage nach einem Beleg, wenn ein bestimmtes Ergebnis angezweifelt wird. Es ist nicht angemessen, der Wissenschaft vorzuwerfen, dass sie keine Antwort auf Fragen gibt, die sie nicht gestellt hat.
Wissenschaft stellt nach modernem Verständnis eben keinen Wahrheitsanspruch, keine Anspruch darauf, Aussagen zu liefern, die ab sofort ein für allemal gültig sind. Eine Aussage der Form "so ist es" signalisiert grundsätzlich einen Mangel an wissenschaftlichem Denken. Für jene, die sich wirklich intensiv mit einem bestimmten Gebiet auseinander setzen ist eher die Haltung typisch "nachdem, was wir bisher wissen, scheint es so zu sein...".
Es ist ein Irrtum, zu glauben, dass dabei nie etwas Handfestes herauskommen könnte. Aber es dauert eben seine Zeit, bis sich eine Theorie durchsetzt und als allgemein (sagen wir bescheidener: in der Fachwelt) anerkannt gilt.
Es gibt noch zwei Problemfelder, die in der Öffentlichkeit für Verwirrung sorgen können - das eine ist die Abgrenzung der empirischen Forschung zur Philosophie, das andere die Abgrenzung zur Politik. Als Heidegger sagte "die Wissenschaft denkt nicht", wollte er damit nicht sagen, dass Wissenschaftler alle dumm sind und über nichts nachdenken. Aber es ist eben ein Unterschied, ob man sich hinsetzt und über das Sein, die Wahrheit oder etwas anderes nachdenkt - oder empirische Forschung betreibt, beobachtet, Messungen durchführt und die Ergebnisse darstellt.
In der Psychologie stellt die empirische Forschung nicht den Anspruch, das Wesen des Menschen zu erforschen oder eine Aussage über das Sein oder den Sinn des Seins machen zu können. Wenn ein Physiker wie Harald Lesch darüber nachdenkt, was sich wohl hinter, über oder außerhalb des Universums befindet, dann philosophiert er eben. Als Wissenschaftler kann er aber dazu keine Aussage machen. Ebenso lassen sich aus der Klimaforschung zwar Schlußfolgerungen ableiten, was politisch sinnvoll wäre - das wissenschaftliche Denken allein genügt aber nicht, um im Zusammenhang vernünftige Entscheidungen zu treffen.
Damit will ich nicht zum Ausdruck bringen, dass Wissenschaftler nicht philosophieren oder eine politische Meinung haben dürften. Zur Transparenz gehört aber auch, hier sorgfältig trennen zu können. Vielleicht also ist es nötig, die Ebenen und Bereiche wieder zu trennen, die durcheinander geraten sind.
Transparenz ist auch ein Kommunikationsproblem - und es lohnt sich sicher, über Wissenschaftskommunikation, mögliche Missverständnisse, Verzerrungen und falsche Schlußfolgerungen immer wieder und sehr gründlich nachzudenken.
Quellen:
Uno lässt Klimarat künftig kontrollieren (Spiegel, 26.02.2020, Abruf am 01.03.2010)
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