zum Anfang: Kognitive Bezugssysteme und Kommunikation Teil 1
Regel 4: Sachlichkeitsgebot
Ein Standpunkt darf nur dadurch verteidigt werden, dass man Argumente für den Standpunkt vorbringt.
Ein Standpunkt darf nur dadurch verteidigt werden, dass man Argumente für den Standpunkt vorbringt.
Die Frage der Sachlichkeit ist ein Thema, das eine ausführlichere Darstellung erfordern würde. Zunächst einmal habe ich den Eindruck gewonnen, dass Wissenschaftler vor allem dort in Schwierigkeiten geraten, wo der Boden sachlicher Argumentation verlassen wird. Die Sache selbst (ob es dabei nun um die Astrologie, die Relativitätstheorie oder etwas ganz anderes geht) tritt dabei zurück. Es scheint, als bereite ein wissenschaftliches Studium häufig nur wenig auf Situationen vor, in denen es darum geht, Erkenntnisse gegenüber Leuten zu verteidigen, die sich nicht an den fachspezifischen Kriterien wissenschaftlicher Argumentation orientieren.
Regel 5: Redliche Bezugnahme auf implizite Voraussetzungen
Eine Person ist verpflichtet, zu den Voraussetzungen (=Prämissen) zu stehen, die er oder sie implizit zum Ausdruck gebracht hat. Umgekehrt dürfen den Kontrahenten nicht Prämissen unterstellt werden, die sich aus deren Äußerungen gar nicht entnehmen lassen.
Der Anspruch ist hoch - das "Mitgedachte" und "Mitgemeinte" ist nicht immer so leicht zu erkennen und zu rekonstruieren. Kienpointers Anliegen, vor allem im öffentlichen Bereich sehr sorgfältig mit Deutungen impliziter Voraussetzungen umzugehen, kann ich mich daher nur anschließen. Die von ihm erwähnte Vorgehensweise, im Einzelfall nachzufragen, ob eine bestimmte Aussage bei einer Äußerung "mitgedacht" ist, stellt immerhin einen methodischen Ansatz dar.
Regel 6: Gemeinsame Ausgangspunkte respektieren
Eine Prämisse darf nicht fälschlich als gemeinsam akzeptierter Ausgangspunkt hingestellt werden, und umgekehrt darf eine Prämisse, die gemeinsam akzeptiert ist, nicht zurückgewiesen werden.
Prämissen, verstanden als grundsätzliche Denkmuster, gemeinsame Ausgangspunkte also sind zu einem großen Teil Ergebnisse schulische und universitärer Sozialisation. Begriffe wie "empirisch", "falsifizieren", "Hypothese", "Theorie", "Experiment" usw. bekommen eine Bedeutung, die als Grundlage der Verständigung dienen. Was innerhalb der Wissenschaften die Kommunikation erleichtert, wird nach außen aber schnell zum Problem. Wenn eine bestimmte Aussage, die sich aus der Relativitätstheorie ableiten lässt, in einem Experiment nicht bestätigt werden kann, könnten Laien auf die Idee kommen, zu sagen: "die Wissenschaft hat festgestellt, dass die Relativitätstheorie nicht stimmt". Dass Physiker aufgrund eines einzigen Experiments ein komplexes Theoriegebäude einfach so über Bord werfen, kann ich mir schwer vorstellen.
Nun - schroffe Konfrontationen sind vor allem dort zu erwarten, wo Wissenschaftskritiker ihre Auffassungen nicht aus empirischer Forschung ableiten und damit die Prämissen, von denen wissenschaftliches Denken ausgeht, nicht akzeptieren. In einem solchen Prozess klar zu benennen, dass es nicht mehr um eine wissenschaftliche Diskussion, sondern um einen Meinungsaustausch geht, könnte hier für mehr Transparenz sorgen.
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