Psychosophie

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In der Begegnung mit anderen Menschen können wir uns selbst und andere besser verstehen lernen. Wenn wir miteinander sprechen, begegnen sich subjektive Welten. Vielleicht entstehen daraus Einsichten, die für das je eigene Leben von Bedeutung sind.

Dienstag, 6. Oktober 2009

Globale Kommunikation: ethnozentrisch oder interkulturell?

Was für ein Wort. Am liebsten würde ich den Text auf Englisch schreiben und mit "global communication" betiteln. Womit ich im Grunde auch schon mittendrin bin - in der Problematik. Denn mit den vielen Sprachen fängt es an - ohne Dolmetscher kann globale Kommunikation nicht funktionieren. Wie es scheint. Aber selbst dann ist keinesfalls sicher, dass so etwas wie eine "gemeinsame Sprache" zu finden ist. Es gibt ein Grundproblem, das vielleicht mehr als alles andere Schwierigkeiten bereitet, wenn von globaler Kommunikation die Rede ist: Ethnozentrismus.
In der Magisterarbeit von Jiri Spendlingwimmer findet sich eine Formulierung, die den kommunikativen Aspekt treffend beschreibt. Die Verweigerung des Rechts des Andersseins.
(SPENDLINGWIMMER, J. (2008). Die negativen Auswirkungen des Ethnozentrismus und deren Vermeidung. Dargestellt am Beispiel der Arbeit der internationalen Freiwilligen der Nichtregierungsorganisationen im Süden Costa Ricas. Diplomarbeit an der Universität Wien, S.25). Zuerst noch einen Schritt zurück: Ethnozentrismus wird als Begriff mit unterschiedlichen Bedeutungen verwendet. Als Tendenz, die eigene Kultur als Massstab zu verwenden, an dem andere Kulturen gemessen werden, dabei die eigene Kultur als "die Bessere" und "Höherwertige" zu betrachten, aber auch als politische Einstellung. Weit voneinander entfernt sind die Bedeutungszusammenhänge allerdings nicht. 
Eine ausführliche Beschreibung des Begriffs in Abgrenzung zum Rassismus (aus sozialpsychologischer Sicht) findet sich bei Diana Wieser.
Was in diesem Zusammenhang als "flexibler Ethnozentrismus" bezeichnet wird, kommt dem nahe, was ich als Grundlage interkultureller Kommunikation hier skizzieren möchte. Die je eigene Wahrnehmung zu thematisieren und zu reflektieren setzt voraus, sich der je eigenen Vorurteiligkeit bewusst zu werden - und vereinfacht gesagt, den Horizont zu erweitern.
Man muss sich nicht auf internationaler Ebene bewegen, um die Unterschiede zwischen ethnozentristischer und interkultureller Kommunikation beobachten und beschreiben zu können. Die kritische Analyse zur Verständlichkeit politischer Programme zeigt deutlich Elemente auf, die mehr mit Ethnozentrismus als mit Interkultureller Kommunikation zu tun haben. Wobei sich hier die Vorstellung eingeschlichen hat, dass Politiker bereits "in einer anderen Welt" leben und einer eigenständigen Kultur angehören. Solche Unterschiede werden vielleicht erst deutlich, wenn sich leicht Übergewichtige mit Politikern über Diäten streiten. Begriffe und Denkzusammenhänge also, die für bestimmte Gruppen selbstverständlich sind, für andere aber nicht erklärt werden und deshalb auch oft nicht nachvollziehbar sind, markieren die Grenze zwischen "uns" und "den anderen". Jedes Wort, jeder Begriff, jeder Zusammenhang, jede Voraussetzung, die sich in einem bestimmten sozialen Umfeld als klar und deutlich, allgemein anerkannt und somit als Grundlage der Verständigung etabliert hat, steht dem Gespräch mit "den anderen" möglicherweise erheblich im Weg. Klären als sprechwissenschaftlicher Fachbegriff, mehr noch als praktische Methode, ist hier die einzige Chance, Unterschiede in der Bedeutung und dem Verwendungszusammenhang von Begriffen zu ermitteln, MIssverständnissen vorzubeugen oder aus der Welt zu schaffen. Warum das schwierig ist, möchte ich anhand der Überlegungen zur sprechwissenschaftlichen Hermeneutik zeigen (s. dazu SW. S.128 ff.). Vielleicht noch als Vorbemerkung: Hermeneutik ist die Theorie des Verstehens. Das Bemühen, zu verstehen, was in einem Gespräch eigentlich geschieht, zu verstehen, was da gesprochen wird, ist ein Prozess, der gewissermassen in vielen Kreisen vollzogen wird. Dafür wird meist der Begriff "hermeneutischer Zirkel" verwendet. Das Ganze aus den Teilen, die Teile aus dem Ganzen verstehen. Wer so etwas versucht hat... 

1. keinen festen Punkt außerhalb seiner Sprache... 
2. keinen festen Punkt außerhalb seiner gesellschaftlichen und subjektiven Situation... 
3. keinen festen Punkt außerhalb seiner hermeneutischen Situation


(SW, S. 135f.)

Aus alledem ergibt sich die Konzeption der Sprechwissenschaft als selbstreflexive Theorie.
Die Frage ist, was sich nun aus diesen Überlegungen ableiten lässt, welche Konsequenzen sich daraus ergeben, was es konkret bedeutet oder bedeuten kann.
Wie ist das eigentlich? Ist das Verstehen immer sprachgebunden? "Ich verstehe etwas" kann schließlich auch bedeuten, "ich kann mir ein Bild davon machen". Es genügt, Bilder von einem Tsunami zu sehen, um eine Vorstellung davon zu gewinnen, was dort geschieht. Will ich allerdings darüber sprechen, brauche ich Worte oder Gebärden. Gehörlose müssten hier also gebärden: ich habe keinen festen Punkt außerhalb der Gebärdensprache. Grosses Sonderthema... Noch ein Fragezeichen: was ist mit Menschen, die mehr als eine Sprache sprechen? Findet sich dann durch den Fremdsprachenerwerb eben doch ein fester Punkt außerhalb "seiner" Sprache? Man kann hier einwenden, dass jede Fremdsprache eben auch aus der Perspektive der erworbenen Muttersprache betrachtet wird, die Muttersprache also trotzdem der zentrale Bezugspunkt bleibt. Wer allerdings tiefer in eine andere Sprache eindringt, kann (so meine These) sehr wohl einen weiteren Bezugspunkt gewinnen.
Trotzdem bleibt die Sprache, auch wenn es eine Fremdsprache ist, ein Bezugsrahmen, der die Möglichkeiten und Grenzen des Verstehens und Sich-Verständigens absteckt...
Die gesellschaftliche und subjektive Situation - ist als begrenzendes Problem nur durch Empathie und Perspektivenwechsel zu überwinden. Und auch das nur begrenzt - denn auch dort, wo man sich in andere Menschen einfühlen, ihre Situation verstehen (also: nachvollziehen) kann, ist es eben nicht die eigene. Und deshalb notwendigerweise eine andere. Dass mehrere Menschen sich in derselben Situation, aber in einer völlig anderen Lage befinden können, wirft dann weitere Probleme auf....
Kein fester Punkt außerhalb der hermeneutischen Situation. Es ist nicht so leicht zu erkennen, warum hier die hermeneutische Situation noch einmal gesondert genannt wird. Als Begründung folgt (sehr stark verkürzt): weil hier das gesamte Wissen als Erwartungshorizont zusammenläuft. Allgemeiner formuliert, mit anderen Worten: wir haben keinen festen Punkt außerhalb der je eigenen Kultur.
Wenn man psychologische Erkenntnisse ernst nimmt, können wir aus diesem Prozess nicht einfach "aussteigen". Diese "Brille", wie auch immer sie beschaffen sein mag, lässt sich nicht ablegen. Die selbstreflexive Haltung, verbunden mit dem Ziel, "verschiedene Perspektiven zu erkennen und achten zu lernen" (siehe D. Wieser) dagegen ist ein realisierbarer Ansatz, globale Kommunikation möglich zu machen. Es bedeutet konkret: Anderen das Recht auf Anderssein zuzugestehen. Dann besteht auch die Chance, sich miteinander über etwas zu verständigen, und das so, dass etwas Sinnvolles dabei entsteht.

1 Kommentar:

  1. Ich untersuche gerade diese Thematik und bitte um UNTERSTÜTZUNG.

    Der folgende Link führt zu meinem Fragebogen:

    http://ww3.unipark.de/uc/UniBW_RoederDiane/502a/

    Der Link ist sicher(!), die Bantwortung ist natürlich anonym und dauert ca. eine halbe Stunde.

    Ich bin auf Freiwillige angewiesen, es wäre also sehr schön, wenn ihr mich bei dem Projekt unterstützt und mir die halbe Stunde eurer Zeit schenkt.

    VIELEN, VIELEN DANK!!!
    Diana

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