Zuerst dachte ich, da wird ziemlich viel Wirbel gemacht um die Weigerung, eine Frage zu beantworten. Nun hat Guido Westerwelle aber wirklich Wellen geschlagen, die Frage nach Deutschtum steht wieder zur Diskussion. Nachdem sowohl die Szene selbst als auch eine Reaktion von Cem Özdemir bei Youtube abrufbar sind, liegt genug Material vor, die Situation etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.
Der Anfang ist die Frage eines Journalisten... (J)
J: "...from the BBC, may I aks a question in English? If you would be so kind and answer English?" (Kann ich eine Frage auf Englisch stellen? Und wären Sie so freundlich, mir auf Englisch zu antworten?)
GW (Guido Westerwelle): "Wenn Sie bitte so freundlich wären... weil das eine Pressekonferenz in Deutschland ist... (nickt...)"
J: "If I may ask in English?..And You answer in Geman?" (Darf ich auf Englisch fragen? Und Sie antworten auf Deutsch?)
GW: "Ich bitte Sie, dass... bei allem Verständnis dafür, aber... so wie es in Großbritannien üblich ist, dass man dort selbstverständlich Englisch spricht, so ist es in Deutschland üblich, dass man hier Deutsch spricht."
Die Formulierung "bei allem Verständnis" signalisiert inhaltlich etwas, das im Gesprächsverlauf deutlich widerlegt wird. Für die Situation eines Journalisten, der der Konferenz nur begrenzt folgen kann, wird eben keinerlei Verständnis gezeigt. Guido Westerwelle zeigt sich hier als den Situationsmächtigen, der die Regeln definiert und auf die Probleme eines Einzelnen nicht eingehen will. Wenn Empathie und Perspektivenwechsel ein notwendiges Element politischer Diplomatie ist, lässt sich die Reaktion - eine Norm setzen und dabei die Bedürfnisse des Fragenden und seine Situation ignorieren - als deutlich undiplomatisch, unhöflich und abweisend beurteilen. In den Stellungnahmen wurde entsprechend häufig der Begriff "abblitzen lassen " verwendet.
D: "Wir werden übersetzen" (Überlappung mit den letzten Worte von GW)
J: "Can I ask You... for the rest of the world... how foreign policy, German foreign policy changing with You at the helm?" (Kann ich Sie fragen... für den Rest der Welt.... wie sich die Außenpolitik, die Deutsche Außenpolitik ändern wird, wenn Sie am Ruder sind?)
D (Dolmetscherin): "Wie wird sich die deutsche Außenpolitik unter Ihrer Führung verändern?"
GW: "Sie stellen... dieselbe Frage nach Ämtern... Nur.. kommen Sie von der internationalen Ecke. Und ich gebe Ihnen dieselbe Antwort, die ich Ihren deutschen Kollegen gerade gegeben habe... Dass, was ich außenpolitisch gesagt habe, gilt...das habe ich gerade eben ja noch einmal wiederholt... aber eine Debatte über irgendwelche Ämter und Verantwortlichkeiten in der nächsten Bundesregierung werde ich nicht führen."
Hier wird deutlich, was Verständnislosigkeit bedeutet - geht man davon aus, dass im Publikum jemand ist, der Teile der Konferenz nur unvollständig oder gar nicht nachvollziehen konnte, dann ist ihm vielleicht auch entgangen, dass die Frage mehr oder weniger schon beantwortet wurde. Die Formulierung "von der internationalen Ecke" stellt auch den Journalisten symbolisch "in die Ecke" - bringt ihn also in eine Randposition. Wer die Bedeutungskonnotation des "in-die-Ecke-Stellens" kennt, kann das eigentlich nur als Beleidigung auffassen! Außerdem: die Frage bezog sich auf Außenpolitk, nicht auf Ämter. Der Fragende geht vielmehr davon aus, dass er hier den künftigen deutschen Außenminister bereits vor sich hat.
Der Abschnitt "Tee trinken" ist noch eine nähere Betrachtung wert. Aber zuvor möchte ich einen einfache Variante vorstellen, wie eine höfliche, diplomatische, vor allem aber: einem Politiker angemessene Reaktion hätte aussehen können, vor allem wenn er sich um die Rolle des Außenministers bemüht.
"Tell me, what You would like to know" - sinngemäss also: Was möchten Sie denn wissen?
Mimik und Gestik, die Satzfragmente und Pausen, der Klang der Stimme vor allem lassen vermuten, dass hier einer steht, der bereits müde und "genervt" ist, nicht mehr genug Energie zur Verfügung hat, um sich einer größeren Anstrengung zu unterziehen. Trotzdem - wenn man berücksichtigt, dass Dolmetscher im Raum sind, wäre auch eine Antwort auf Deutsch mit der Bitte, die Aussagen ins Englische zu übersetzen, möglich gewesen. Das wäre immer noch höflicher gewesen als die Weigerung, auf eine klare Frage eine klare Antwort zu geben. Für den Fall, dass ich Außenminister werde, habe ich dieses und jenes vor...
Nun wird mit Bezug auf diese Szene von Deutschtum gesprochen bzw. geschrieben. "Ich sehe keinen Grund, warum wir uns für die eigene Sprache genieren sollten" - so wird Guido Westerwelle im FOCUS zitiert. Zustimmung und Ablehnung hat er erfahren nach dieser Pressekonferenz. Betrachtet man die Szene und den Gesprächsverlauf, ist die Thematisierung des Deutschtums eine Verschiebung. Auf eine Frage einzugehen, die auf Englisch gestellt wurde - warum sollte das ein Zeichen dafür sein, dass man sich für die deutsche Sprache geniert? Wir leben in Europa, Englisch ist Weltsprache und es geht um Außenpolitik - sich hier zu weigern, mag Ausdruck von Nationalstolz sein. Es zeigt aber auch eine ethnozentrische Haltung, die kein gutes Bild zeichnet, keine gute Grundlage für internationale Diplomatie darstellt.
GW: "Und damit das nur gleich klar ist, wir können gern mal außerhalb einer Pressekonferenz ... fabelhaft uns mal zum Tee treffen und dann sprechen wir nur Englisch."
Damit das mal klar ist... der Situationsmächte spricht. Und lädt ein, dem Klischee entsprechend: zum Tee. Na, das hört sich doch, wenn auch angespannt, nett an... "Aber... es ist Deutschland hier."
Ein kommunikativer und diplomatischer Fauxpas war das Ganze auf jeden Fall.
Die Grünen schämen sich und Czem Özedemir entschuldigt sich beim BBC. Soll das wirklich die Außenpolitik für die nächsten vier Jahre sein?
Die Szene wurde mit englischen Untertiteln noch einmal bei YouTube eingestellt. Dem Kommentar dazu schließe ich mit an:
The intension of this video is not bashing of politicians. I don't expect everyone to speak English perfectly (I don't either).. But I expect a (designated) foreign secretary to be polite and cosmopolitan in front of international press.
Klasse Artikel, wie immer!!!!
AntwortenLöschenLG Jürgen
Hallo Jürgen,
AntwortenLöschenmanche Leute sehen das ganz anders... Cem Özdemir habe sich mit der Reaktion blamiert... Ich habe deshalb noch einen Nachtrag verfasst. Selbst dann, wenn man davon ausgeht, dass ein Journalist in Deutschland Deutsch können sollte, wäre es eine nette Geste gewesen, auf die Frage in Englisch einzugehen.
LG Rolf
Perfekt hätte er reagiert, wenn er dem Engländer auf Englisch gesagt hätte, dass er die Frage auf deutsch stellen soll, lol
AntwortenLöschenLG Jürgen
...auch eine Möglichkeit. "I am sorry, I can't." wäre dann vielleicht gekommen. Dann hätte es die Möglichkeit gegeben, noch einen Schritt weiter zu gehen oder an dieser Stelle abzublocken...
AntwortenLöschenLG Rolf