Psychosophie

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In der Begegnung mit anderen Menschen können wir uns selbst und andere besser verstehen lernen. Wenn wir miteinander sprechen, begegnen sich subjektive Welten. Vielleicht entstehen daraus Einsichten, die für das je eigene Leben von Bedeutung sind.

Dienstag, 29. Dezember 2009

Der Meister des Zorns

Das Land war mir fremd. Vor allem aber wunderte ich mich darüber, dass der dunkelhäutige Mann, der mir gegenüber saß, einen Regenschirm bei sich hatte. Bei dem Wetter? Es war so warm, dass ich wohl träumen oder irgendwo in einer Zukunft gelandet sein musste, in der die globale Erwärmung.... "Mein Name ist Mohandas", riss er mich aus meinen Gedanken. "Die meisten nennen mich Mo. Man nennt mich auch den Meister des Zorns. Erzähle mir, was dich bewegt."
Es ist schwierig, mitten in einem Traum irgendwie mit dem Aufwachen beschäftigt zu sein... das gehörte wohl in die Rubrik der immer wieder auftretenden Fragen aus dem Bereich 'Umgang mit Gefühlen'. Hatte ich da eine Frage? "Ich gehe davon aus, dass es gesund ist, wenn man Gefühle ausdrücken kann. Das gilt natürlich auch für den Zorn. Ich meine damit aber nicht das wilde Umsichschlagen, sondern das Gespräch darüber. Es kann auch eine Szene sein, ein Bild, eine Zeichnung oder etwas anderes." Mo dachte eine Weile nach und deutete ein Nicken an. "Früher dachte ich auch so ähnlich. Ich hatte mich daran gewöhnt, meinem Zorn freien Lauf zu lassen. Bis ich den Mahatma traf, der mich etwas ganz anderes lehrte." Als er meinen fragenden Blick bemerkte, ergänzte er: "ich bin auch in die Zukunft gereist. Und stelle fest, dass die Menschen immer noch nicht genug gelernt haben. Vor allem aber weiss ich aus Erfahrung, dass meine Methode für viele Menschen sehr nützlich ist. Der Mahatma sagte mir, behalte deinen Zorn für dich. Staue ihn auf. Mach etwas Wertvolles daraus. Etwas, das die Welt bewegt." Ein hoher Anspruch, dachte ich mir. Und es passte nun gar nicht zu meiner Vorstellung vom Aufarbeiten, Ausdrücken und Loslassen. Oder doch? "Wenn der Zorn eine wertvolle Form gefunden hat, drückt er sich auch aus. Aber auf eine Art, die selten als Zorn erkennbar ist." Darüber musste ich erst eine Weile nachdenken....
"Wie macht man etwas Wertvolles aus dem Zorn?" fragte ich schließlich.
"Es ist wichtig zu erkennen, was dich zornig macht", erklärte Mo. "Zorn über die Vergangenheit nützt überhaupt nichts. Sie wird zur Bitterkeit und nimmt dir jede Hoffnung. Denn die Vergangenheit lässt sich nicht ändern. Zorn über einen Zustand in der Gegenwart ist etwas anderes. Wenn es dort einen Punkt gibt, der verändert werden kann, lohnt es sich, den Zorn aufzustauen. Denn er gibt die innere Kraft, die Energie, sich wirklich für etwas einzusetzen. Etwas zu bewegen. Mit deiner Methode würde diese Energie verloren gehen."
Da stand oder vielmehr saß ich etwas ratlos da mit meiner westlichen Psychologie im Kopf... "Was sage ich Leuten, die viel Leid erfahren haben, in einer Katastrophe, einem Krieg Angehörige verloren haben? Wo soll denn da ein Ansatzpunkt für Veränderungen sein?" - Mo sah zu Boden, schien seine Worte sorgfältig abzuwägen... "Was ist es dabei, das den Zorn auslöst? Dass Menschen sterben, die sterblich sind? Oder die Tatsache, dass andere für ihren Tod verantwortlich sind?" "Das letztere, nehme ich an" - "Aha, der Zorn richtet sich also auf bestimmte Menschen, die getötet haben. Oder für eine Katastrophe verantwortlich sind. Sie vielleicht nicht verhindert haben. Der Mahatma hat mir von einer Szene erzählt, in der sich sein Zorn auf seine Frau richtete. Und er erkannte, dass er dabei in die Irre gegangen war." "Ist das nicht etwas ganz anderes?", fragte ich. "Ja und nein - im Prinzip geht es darum, den Zorn niemals auf eine Person zu richten. Sondern auf die Umstände, die ungerecht sind, verändert werden müssen." Das klang sicher einfacher als es war. "Wenn ich das den Amerikanern erzähle, die den Anschlag auf das World Trade Center erlebt haben..." -"Sie werden es nicht verstehen", antwortete Mo. "Sie sind gefangen in ihrem westlichen Denken. Sie kennen es nicht anders, als Zorn in Rache zu verwandeln, um der Bitterkeit zu entgehen. Aber sie übersehen dabei, dass selbst dann, wenn sie für 3000 Tote aus Rache 300.000 Andere töten, kein einziger Toter wieder lebendig wird. Es verändert sich nichts dadurch. Es wird kein Leiden beseitigt, nur neues geschaffen. Es wird keine Sicherheit errreicht, nur neue Bedrohungen. Der Kreislauf aus Zorn und Rache, Zorn und Rache geht immer und immer weiter" - "Richtig, aber es geht dann eben auch um Gerechtigkeit! Zumindest bin ich mir sicher, dass die Amerikaner so denken. So etwas kann man sich doch nicht gefallen lassen..." - "Es geht auch nicht darum, sich alles gefallen zu lassen. Mit Zorn umgehen zu lernen, das ist keine Schwäche. Es ist Stärke, die viel Übung erfordert. Terroranschläge sind immer das Resultat fehlgeleiteten Zorns. Sie haben keinen konstruktiven Wert. Sie beseitigen keine Ungerechtigkeit. Sie entstehen aus einem Irrtum." Also, so meine Schlussfolgerung, müsste sich der Zorn darauf richten, einen Irrtum zu korrigieren. So bedenkenswert mir diese Gedanken auch erschienen, ich war mir sicher, dass die Amerikaner damit nicht sehr viel würden anfangen können. Auch jener nicht, der in meiner Zeit einen Friedensnobelpreis gewonnen hatte.





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