Psychosophie

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In der Begegnung mit anderen Menschen können wir uns selbst und andere besser verstehen lernen. Wenn wir miteinander sprechen, begegnen sich subjektive Welten. Vielleicht entstehen daraus Einsichten, die für das je eigene Leben von Bedeutung sind.

Montag, 29. November 2010

Burnout als Intentionalitätsstörung

Einer von mehreren möglichen Ansatzpunkten für die Frage nach Störungen der Intentionalität ist die Problematik des Ausbrennens. Burnout – bedeutet das nun „ich kann nicht mehr“ oder eher „ich will nicht mehr“?. Vielleicht bedeutet es auch beides, aber zwischen dem Nichtmehrkönnen, für den man auch den Begriff „Erschöpfung“ in einem umfassenderen (also nicht nur zeitlich eng begrenzten) verwenden kann und dem Nichtmehrwollen besteht sicher ein Unterschied.
Für einen ersten Entwurf zur Beschreibung der Störungen der Intentionalität (also das Problemfeld des Nichtmehrwollens) möchte ich drei Kategorien vorschlagen, die eine genauere Analyse ermöglichen sollen.

Unklarheit

Unklarheit kann sich in verschiedenen Varianten ausdrücken, wenn etwas, das vielleicht bisher durchaus oder sehr intensiv gewollt war, nicht mehr so recht oder gar nicht gewollt wird. Vom „ich weiss nicht mehr, ob ich das will“ über das „ich weiss nicht mehr, was ich überhaupt noch will“ sind mehrere Schattierungen denkbar, die aber eines gemeinsam haben: einen klaren Willen, eindeutige Intentionalität bezogen auf eine bestimmte Situation, konkrete Absichten, die sich verwirklichen lassen, gibt es nicht mehr.
Der Lösungsansatz für dieses Problemfeld ist einfach und schwierig zugleich: denn das Klären im Sinne von „Klären, ob ich will“ und „Klären, was ich will“ ist in einer inneren Situation, in der das eigene Wollen unklar und verschwommen ist, zwar nötig, aber gleichzeitig das Problem, das der Lösung im Wege steht.


Ambivalenz

Ambivalenz ist hier nur ein anderes Wort für ‚Konflikt’. „Ich will und ich will nicht“, das ist eine mögliche Gestalt, „ich will nicht, aber ich muss“ eine andere. Klären ist auch hier der methodische Ansatz, der sich im Einzelfall mit konkreten Invarianten auseinander setzen muss, was konkret bedeutet: das ‚Müssen’ kann so drückend sein, das sich die Frage nach dem ‚Wollen’ nicht mehr wirklich frei stellen lässt.
Wenn es um Burnout geht, scheint diese Form sehr häufig zu sein – es ist das Ergebnis eines längeren Prozesses, in dem eine bestimmte Arbeitssituation, ein bestimmtes Aktivitätsfeld, nicht mehr durch das innere Erleben und das bejahende Wollen getragen wird, gleichzeitig ein Verlassen oder Bleibenlassen der übernommenen Aufgaben nicht so ohne weiteres zu bewerkstelligen ist. Die bange Frage „und was dann?“ lässt sämtliche Möglichkeiten der Bewältigung vor dem inneren Auge vorbeiziehen, löst vielleicht eine umfangreiche Suche nach Ideen aus, wie dieses und jenes eben doch noch zu schaffen sein könnte, denn immerhin: es hängt etwas dran, und das bedeutet auch, dass es triftige Gründe dafür gibt, das bisher Gewollte auch weiterhin zu wollen, das bisher angestrebte auch weiterhin für sinnvoll und der Mühe wert zu erachten.
Dass sich eine komplexe ambivalente Situation so einfach in ein homogenes Feld verwandeln liesse, ist eine eher unwahrscheinliche Prämisse, in der Regel wird es Mühe kosten, die Einzelheiten und Feinheiten, die Ebenen und konkreten Aspekte der ambivalent gewordenen Intentionalität zu klären. Und das ist anstrengend, erfordert Energie, die gerade im Zustand der Erschöpfung fehlt. Plastisch ausgedrückt: wenn der Benzintank erst einmal leer ist, steht eben kein Benzin mehr zur Verfügung, um damit bis zur nächsten Tankstelle zu fahren.

Irrationalität

Irrationalität ist ein Ansatz, eine recht einleuchtende Erklärung für die Phänomene ‚Erschöpfung’ und ‚Burnout’ in einen größeren Zusammenhang zu stellen.
Das klingt logisch: wer ausgebrannt ist, hat sich eben zu sehr verausgabt, zu hohe Ansprüche, zu wenig für Ausgleich gesorgt, sich zuwenig distanziert, zu wenig oder nicht effizient genug an der Lösung bestimmter Probleme gearbeitet. War einfach überfordert. Die Frage, ob die Ansprüche, die Anforderungen und die Rahmenbedingungen dabei angemessen, von innen oder von aussen gesetzt, rational oder überzogen sind, bleibt dabei zunächst offen.
Insgesamt steckt die Irrationalität bereits im Bemühen, über einen längeren Zeitraum hinweg das Unmögliche möglich zu machen, und begründet wird sie durch die Erfahrung, dass es vielleicht doch gerade noch so geht. Dann eben, wenn alle verfügbaren Kräfte eingesetzt werden, dann eben, die je eigenen Grenzen dabei immer mehr missachtet werden, dann eben, die Illusion entsteht und aufrechterhalten wird, dass das lange Zeit so weitergehen kann.
Der Lösungsansatz ist hier das Bemühen um Rationalität: in der jeweiligen Situation selbst, aber auch bezogen auf die Situation als Ganzes. Und das scheint nun durchaus ein philosophisches Bemühen um Gelassenheit zu sein. Die Dinge wichtig zu nehmen, aber auch nicht zu wichtig, Ansprüche anzunehmen und ernst zu nehmen, sie aber auch infragestellen und sich von ihnen lösen zu können, sich einzusetzen, wo es sinnvoll ist, aber dabei auch begrenzte Kräfte sinnvoll zu dosieren, bei alledem für Ausgleich und Entlastung sorgen, sie für sich selbst ermöglichen und bei Bedarf auch einfordern.

Im Kern aber geht es um das Klären des je eigenen Wollens, dem bewussten Wählen zwischen verschiedenen Variationen des Wollenkönnens. Und die Kunst, sich diese Freiheit des Wählens niemals nehmen zu lassen, und bliebe sie auch nur im je eigenen Geist.
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