Psychosophie

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In der Begegnung mit anderen Menschen können wir uns selbst und andere besser verstehen lernen. Wenn wir miteinander sprechen, begegnen sich subjektive Welten. Vielleicht entstehen daraus Einsichten, die für das je eigene Leben von Bedeutung sind.

Mittwoch, 16. März 2011

Ängste in Deutschland und Japan, Atomkraft und Angstbewältigung

Die Erkenntnisse aus meinen Recherchen kurz zusammengefasst:
 
  • In Deutschland gibt es keine erhöhten Strahlungswerte, gemessen wird ständig, (Informationsquelle: Bundesamt für Strahlenschutz).
  • Jodtabletten zu nehmen ist deshalb nicht sinnvoll, eher schädlich. 
  • Auch ohne Atomkraftwerke kann Deutschland genug Energie produzieren - wir brauchen sie nicht.

Kommentar von meiner Seite:

Wer Atomkraftwerke als "sicher" bezeichnet, lügt. Sicherheit ist ein relativer Begriff, selbst bei höheren Sicherheitsstandards ist das 'Restrisiko' eben nicht zu beherrschen. Vernünftige Entscheidungen zu treffen bedeutet, nicht nur die Wahrscheinlichkeit, sondern auch das Ausmass einer möglichen Katastrophe zu berücksichtigen. Nachhaltig wirksam können politische Entscheidungen nur dann sein, wenn sie langfristige Wirkungen und Nebenwirkungen mit einkalkulieren. Vor allem dann, wenn wir ohne größere Probleme auf Atomkraftwerke verzichten können, sollten wir das auch tun. Und das so schnell wie nur irgend möglich.

Die Konsequenzen, die aus einem Reaktorunfall entstehen, sind gravierend:
- körperliche Krankheiten durch Strahlenschäden,
- psychische Störungen und Traumata, aber auch
- hohe Folgekosten durch die Notwendigkeit, langfristig strahlende Reaktoren notdürftig abzusichern.

Bei allem Unglück ist die gegenwärtige Situation auch eine Chance, Realitätsverzerrungen und Illusionen aufzudecken und davon Abstand zu nehmen. Bedauerlich, aber menschlich ist der Umstand, dass oft erst Kontrollverlust, hervorgerufen durch eine Katastrophe, zum Umdenken führt. Dabei scheint vieles, was jetzt als "neue Erkenntnis" dargestellt wird, keinesfalls neu - es war schon bekannt, wurde aber aus irgenwelchen Gründen verheimlicht, verharmlost, politischen oder wirtschaftlichen Interessen geopfert.

Bei allem Respekt vor der Vernunft brauchen wir auch Empathie, um nicht nur vernünftige, sondern auch menschliche Entscheidungen treffen zu können. Überall dort, wo es um den Einsatz potentiell gefährlicher Technologien geht, sind ethische Fragestellungen unverzichtbar - gleichzeitig müssen wir anerkennen, dass wir nicht tief genug blicken können, weder ins Erdinnere hinein noch in die menschliche Psyche. Das, was im Verborgenen geschieht, lässt sich eben nicht exakt vorhersehen, nicht prognostizieren und nicht beherrschen.

Die Tendenz geht deutlich weg von der Atomkraft, hin zu erneuerbaren Energien. Das ist ein Weg, der sich gehen lässt, wenn wir das wollen. Wenn es funktoniert, werden vielleicht auch andere Länder erkennen, dass es bessere, menschlichere Möglichkeiten gibt.

Ich möchte noch einmal auf ein Prinzip, das mir für den Umgang mit Ängsten wichtig geworden ist: verwandle Angst in Fürsorge und Vorsorge. Die Angst vor Erdbeben, Tsunami und radioaktiver Strahlung ist in Japan eine reale Angst - Fürsorge und Vorsorge sind nur dort möglich, wo sich etwas tun lässt. Dort, wo wir ohnmächtig sind, ist es eine Frage der Vernunft, diese Ohnmacht auch zu erkennen, gerade dort nun wirklich "ohne Tabus" zu diskutieren. Dort aber, wo Entscheidungen möglich sind, bedeutet Vorsorge auch, unkalkulierbare Risiken zu vermeiden - und Fürsorge, das Schicksal und die Situation Einzelner in aller Deutlichkeit zur Kenntnis zu nehmen.
So gesehen ist Empathie ein notwendiger Bestandteil politischer Vernunft.

Kaum beachtet scheint mir in den Medien die Frage, wie Kommunikationsprozesse verlaufen sind und welche Konsequenzen diese Prozesse für die Psyche der Menschen haben. Ein kollektives Trauma, eine kollektive Panikstörung - das ist ein Aspekt, der hinter der sachbetonten Berichterstattung zurückbleibt. Zu wenig wird die Frage gestellt, wie viele Einzelne den Boden unter den Füßen wieder gewinnen können, zu wenig Energie fließt in die Bemühungen, den menschlichen Aspekt zu berücksichtigen und die Potentiale zur Überwindung der traumatischen erfahrungen zu fördern.

Hier in Deutschland ist das alles kaum vorstellbar - klar ist mir nur, dass ich wesentlich besser mit Gefahren umgehen kann, die in irgendeiner Form greifbar, erkennbar, abschätzbar sind. Vor einer Welle kann ich weglaufen, wenn es wackelt, kann ich immerhin nach Möglichkeiten suchen, mich irgendwo festzuhalten, mich auf den Boden setzen und eine geeignete Stelle suchen, damit mir nicht irgend etwas auf den Kopf fällt. Wenn es um Strahlung geht... ohne Geigerzähler kann ich nichts erkennen, die Handlungsmöglichkeiten sind begrenzt. Wenn ich keine Ahnung habe, wie schlimm es wirklich ist... wirkt Desinformation angstverstärkend.

Bei Facebook gibt es eine Seite "Japan - in Gedanken sind wir bei Euch".

Ein Hinweis auf einen Artikel auf ntv zeigt das Problem in aller Deutlichkeit: Angst und Unmut wachsen, weil es nicht genügend Informationen gibt. Aus einer psychologischen Perspektive ist das fatal - denn gerade jetzt sind Maßnahmen notwendig, Vertrauen zu stabilisieren, Kräfte zu wecken und zu stärken, die eine Bewältigung der Situation möglich machen. Stattdessen weiß niemand etwas Genaues und gerade dann wird aus dem Zustand der Angst heraus schnell das Allerschlimmste befürchtet - und die Angst wächst. Wenn der Schock nachlässt und die Kräfte schwinden, eine ruhige, disziplinierte Haltung aufrechtzuerhalten, werden diese Ängste durchbrechen. Genau dann kommt es darauf an, Wege zu finden, wie sich Angst überwinden lässt, genau dann sind Verlässlichkeit, Solidarität und Rückhalt, Vetrauen und Zuversicht notwendig. Die Frage der Angstbewältigung scheint aber niemanden zu interessieren... bleibt das Individuum in der politischen Diskussion auf der Strecke? 

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