Psychosophie

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In der Begegnung mit anderen Menschen können wir uns selbst und andere besser verstehen lernen. Wenn wir miteinander sprechen, begegnen sich subjektive Welten. Vielleicht entstehen daraus Einsichten, die für das je eigene Leben von Bedeutung sind.

Donnerstag, 17. März 2011

Echt sein: Authentizität als Lebenshaltung

Eine kleine Vorbemerkung: die folgende Darstllung zum Thema Authentizität ist eine Antwort auf Elmar Diederichs Artikel "Was ist Authentizität?".
Als Hintergrund für meine eigenen Überlegungen möchte ich auf meine Prägungen durch die humanistische Psychologie hinweisen - mit dem Begriff "Authentizität" verbinde ich schnell den Begriff "Echtheit", aber auch "Ehrlichkeit", und meine damit soviel wie "sich selbst und anderen nichts vormachen". Der Begriff "Transparenz" ist nicht sehr weit weg davon...
Aber jetzt zum Artikel von Elmar Diederichs.


Uff, ziemlich lang. Erstmal legt der Titel ja eine Begriffsklärung nahe, Frage also: was ist das eigentlich, Authentizität?

Aus dem Abschnitt zu Jean Paul Sartre lässt sich sein Definitionsansatz ableiten:

Authentizität ist eine Eigenschaft von Handlungen.

Aha. Okay, bisher hatte ich Authenzität stets auf Personen bezogen (war damit Sartre näher), insgesamt kann ich aber beiden Betrachtungsweisen etwas abgewinnen - und kann mir mit der Formulierung

'Authentizität kann sich auf Personen oder Handlungen beziehen'

ein umfassenderes Begriffsverständnis vorstellen, das beide Aspekte aufgreift. Auch jetzt taucht ein verwandter Begriff auf, 'Kongruenz' nämlich, im Sinne von 'in sich schlüssig'. Tue ich etwas, das mir nicht entspricht, das meinen Einstellungen zuwiderläuft, ist mein Handeln nicht authentisch, ich bin es aber auch nicht, weil das was ich tue, eben nicht zu meinen Einstellungen passt. Und wieder tauchen zwei verwandte Begriffe auf: Glaubwürdigkeit und Integrität.

All diese Dinge haben in meinem Kopf sehr viel mit Gesundheit zu tun, und deshalb, weil ich eben glaube, dass Authentizät als Lebenshaltung eine 'gesunde Sache' ist, scheint es mir auch wertvoll, über diese Begriffe nachzudenken.


Nun kommt bei Elmar Diederichs ein Hinweis auf Michael Kernis und Brian Goldman - und da musste ich erstmal stöbern, mit dem Ergebnis, einen weiteren Zusammenhang zu erahnen. In einer Studie aus dem Jahr 2007 ging es um die Frage, wie sich Unterschiede bezüglich Authentizität und Achtsamkeit (im Original: mindfulness) auf "verbale Defensivität" (im Original: verbal defensiveness) auswirken. Für diejenigen, die jetzt nur noch 'Bahnhof' verstehen, eine grobe Interpretation der Ergebnisse:
Authentizität und Achtsamkeit führen zu weniger defensivem Gesprächsverhalten - oder anders: "dort, wo ich mit mir selbst im reinen und achtsam bin, werde ich mich seltener verteidigen, kann offener und direkter auf andere zugehen".

Eine Anwendung dieser Interpretation auf die heutige Debatte im Bundestag zur Atompolitik spare ich mir an dieser Stelle... und komme zur Beschreibung im Artikel über Authenzität zurück, mit einem Zitat aus zweiter Hand (authentisch ist, wenn ich wenigstens angebe, WO ich abgeschrieben habe...):

Die Sozialpsychologen Michael Kernis und Brian Goldman unterscheiden vier notwendige Bedingungen, die zusammen für Authentizität hinreichend sein sollen:
  • sich selbst zu erkennen
  • Ehrlichkeit in Bezug auf die eigenen Eigenschaften vor sich selbst
  • Treue zu den eigenen Prinzipien und Entscheidungen
  • Aufrichtigkeit in Bezug auf die eigenen Eigenschaften vor anderen

zitiert nach Diederichs, E. (2011).


Und jetzt bekomme ich echt ein Problem... da bleibe ich nämlich schon wieder hängen und fürchte, ich werde dem Anspruch, den gesamten Artikel durchzuackern, nicht gerecht werden können.

Also.... Selbsterkenntnis, klar, wie sollte ich wissen, was ich will, wenn ich mich selbst nicht kenne? In meiner Begriffswelt bedeutet das: ich brauche Einsichten in mein Selbst, um Handlungen ableiten zu können, die zu mir passen. Selbsterkenntnis ist damit auch ein Schritt, zumindest eine Voraussetzung für Authentizität. Ehrlichkeit in bezug auf die eigenen Eigenschaften...
auch da gibt es wieder ein Problem. Weniger aus theoretischen Gründen, eher aus praktischer Lebenserfahrung heraus - andere Menschen nehmen mich sehr unterschiedlich war und wenn es um bestimmte Eigenschaften geht, bleibt als tiefere Einsicht die Widersprüchlichkeit bestehen. Wenn ich manchmal 'so' und manchmal 'ganz anders' bin, wenn ich mich mal so und dann wieder ganz anders verhalte, wenn mich andere Menschen sehr unterschiedlich wahrnehmen, wie bin ich denn dann wirklich? Den Ausweg aus dem Dilemma finde ich nur über eine interaktionistische Persönlichkeitstheorie, über die Vorstellung, dass Persönlichkeitsmerkmale unterschiedlich ausgeprägt sein können und sich je nach Situation unterschiedlich zeigen können. Veränderbarkeit, der Umstand, dass ich in verschiedenen Situation eben nicht immer dieselben Schwerpunkte setze, also 'mal so mal so' sein kann, dass ist eben, wenn ich ehrlich bin, auch ein Stück von mir. Und damit komme ich wieder zu einem neuen Begriff: Kohärenz nämlich, den ich (aus einer psychologischen Perspektive) ebenfalls als Element psychischer Gesundheit ansehe und (aus einer philosophischen Perspektive) hochinteressant finde. Wie behalte ich in einer sich rasch wandelnden Welt, die mich selbst natürlich nicht unverändert lässt, das Gefühl dafür, doch irgendwie noch 'derselbe' zu sein?
Noch schwieriger wird es, wenn es um die 'Treue zu den eigenen Prinzipien und Entscheidungen' geht.

Ganz ehrlich: meine Prinzipien haben sich im Laufe meines Lebens immer wieder verändert, so manche Entscheidung hat sich als nicht besonders klug herausgestellt und aus mancher Erfahrung habe ich die Konsequenz gezogen, irgend etwas beim nächsten Mal anders zu machen. Ehrlich, ehrlich hätte ich es gefunden, wenn mal jemand gesagt hätte, "die Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke war ein Fehler, wenn ich mir ansehe, was da in Japan passiert... das hätte ich nicht gedacht, diese Entscheidung muss revidiert werden und dafür genügt kein Moratorium, dafür brauchen wir ein neues Gesetz." Das hat etwas mit Ehrlichkeit zu tun, aber auch mit Aufrichtigkeit: zugeben zu können, Menschen machen nun mal Fehler, Menschen können sich irren, können Sachverhalte falsch einschätzen, aufgrund neuer Erfahrungen und Erkenntnissen zu ganz anderen Einschätzungen gelangen und daraus natürlich auch andere Schlussfolgerungen ableiten.

Ein Satz von Karl Raimund Popper scheint mir gerade jetzt sehr treffend: "Lasst Theorien sterben und nicht Menschen".
Bloss keinen Fehler zugeben, immer perfekt sein wollen, sich zumindest so darstellen, als ob alles unter Kontrolle und in bester Ordnung wäre... das ist krank.
Authentizität, das ist auch: Mut zur Unvollkommenheit.

Und jetzt... ist der Artikel schon so lang geworden, dass ich erstmal eine Pause brauche. Vielleicht gibt es ja eine Fortsetzung?

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