Psychosophie

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In der Begegnung mit anderen Menschen können wir uns selbst und andere besser verstehen lernen. Wenn wir miteinander sprechen, begegnen sich subjektive Welten. Vielleicht entstehen daraus Einsichten, die für das je eigene Leben von Bedeutung sind.

Montag, 14. März 2011

Zoominami - die Traumakuppel

Irgendwann im Jahre 2050 betrat ich diese seltsame Kuppel, die aussah wie eine Halbkugel. Mit einer konkreten Frage war ich auf Orbital Alpha angekommen und fühlte mich von diesem als "Traumakuppel" überschriebenen Raum angezogen. Wann ist ein Erlebnis ein traumatisches Erlebnis? Vor allem aber: wie werden Menschen mit traumatischen Erlebnissen fertig? Die Ereignisse in Japan im März 2011 erinnerten mich an einen Abschnitt im ICD-10... das war für viele eine Situation, "die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde." Gleichzeitig fragte ich mich, ob die Medien in dieser Situation wirklich hilfreich gewesen waren oder in so manchem Fall die Traumatisierung eher verschlimmert hatten. Die Kuppel war von mattem Licht erhellt, in der Mitte stand eine Konsole, mit der ich allerdings nichts anzufangen wusste. Diese Schriftzeichen... konnte ich nicht entziffern. "Sie gestatten?", sprach mich jemand von hinten an. "Mein Name ist Zoominami. So nennt man mich, seitdem ich diese Kuppel gebaut habe. Sie ist für meine Landsleute gebaut worden, sollte ihnen helfen, mit den Erlebnissen nach dem Tsunami fertig zu werden." "Und - war sie hilfreich?", fragte ich zurück. "Sie war. Sie ist. Immer wieder kommen Leute hierher, nicht nur um eigene Erfahrungen aufzuarbeiten, auch um aus der Geschichte zu lernen." "Diese Bezeichnung... erinnert mich an 'Zoom'..." - "Das ist Absicht. Es liegt nicht nur daran, dass in Japan Kameras hergestellt werden... Es ist ein Bild dafür, bestimmte Dinge näher zu beleuchten, den Abstand herzustellen, ihn je nach Belieben vergrößern und verkleinern zu können. Sehen Sie... wenn Sie plötzlich zusehen müssen, wie ihr Haus weggerissen wird, wenn alles, was Sie sich mühsam erarbeitet haben, einfach so verschwindet, zerstört, überschwemmt wird... da wird es ziemlich schwer, ruhig und gelassen zu bleiben. Sie zeigen es vielleicht nicht, lächeln vielleicht sogar, weil Ihnen Freundlichkeit beigebracht wurde. Im Innern aber... spült die innere Welle Ihr ganzes Leben weg. Und dann... brauchen Sie eine andere Perspektive, um wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen."

Zoominami drückte auf eine Taste... und plötzlich schien alles zu wackeln. Die Bilder kannte ich, die Darstellung war sehr realistisch und simulierte das Erdbeben. Unwillkürlich setzte ich mich auf den Boden und fühlte mich trotzdem nicht sicher... nach wenigen Minuten schaltete Zoominami die Demonstration wieder ab. "Wie geht es Ihnen?", fragte er. "So etwas habe ich noch nie erlebt..", war meine Antwort. Und auch das kam mir bekannt vor - und machte mich nachdenklich. "Wenn nun jemand hierherkommt und diese Bilder, diese Erfahrung noch einmal machen kann... wirkt das dann nicht wie eine Retraumatisierung, die alles noch schlimmer macht?". "Möglicherweise. Es ist wichtig, sorgfältig auszuwählen, welche Programmbestandteile aktiviert werden. Ein grundsätzliches Anliegen ist das Bemühen um den richtigen Abstand, die Balance zwischen Erinnern und Ablenken - und das Bemühen um die Überwindung der emotionalen Grunderfahrungen, die mit diesem Erdbeben verbunden sind." Ich dachte nach, was er wohl damit meinte. Soweit ich mich da hineinversetzen konnte... Ohnmacht kam mir als erstes in den Sinn, Verzweiflung und Fassungslosigkeit. Ohnmacht gegenüber den Naturgewalten, aber auch die Zerstörung von Illusionen, einem Gefühl von Sicherheit, das durch eine solche Erfahrung nachhaltig zerstört wurde. Das alles hätte ich gern mit Zoominami besprochen, aber er hatte längst eine andere Taste gedrückt. Und jetzt... stand ich in einer kleinen Sporthalle, der Boden begann leicht zu wackeln.
"Das Gleichgewicht wieder finden. Balance herstellen...", das war alles, was er mir an Hinweis gab. Mir dämmerte langsam, worauf er hinauswollte... ich sollte die Erfahrung machen, dass ich das Gleichgewicht immer wieder neu finden kann, mir selbst das Gefühl von Sicherheit wieder erarbeiten konnte.

Das alles musste ich erstmal verdauen... insgesamt waren kaum zehn Minuten vergangen, schätzungsweise.
"Das genügt für heute", meinte Zoominami. "Solche Erfahrungen brauchen Zeit, bis man sie verdaut hat." - "Fragen die Menschen, die hierher kommen, nicht immer wieder nach dem 'Warum'?", wollte ich nun wissen. "Manche ja... und nicht alle finden eine Antwort, mit der sie leben können. Dann helfe ich gelegentlich etwas nach." "Und wie? Ich meine... was ist Ihre Antwort?"
"Nach langem Nachdenken bin ich zu einer einfachen Antwort gekommen. Es liegt daran, dass die Erde ein lebender Planet ist. Ständig bewegt sich etwas. Und dabei geschehen Dinge, die aus einer globalen Perspektive im Grunde ganz normal sind, auch wenn sie für viele Einzelne eine Katastrophe bedeuten. Und das... nimmt dem Leiden den Schrecken nicht ganz weg, aber es hilft, Abstand zu gewinnen. Zu erkennen, dass das Leben weiter geht, was auch immer geschieht."

Bewundernswert, irgendwie. Unbehaglich war mir trotzdem zumute. Wer fragt schon danach, wie man mit so einem Erlebnis fertig wird?

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