Psychosophie

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In der Begegnung mit anderen Menschen können wir uns selbst und andere besser verstehen lernen. Wenn wir miteinander sprechen, begegnen sich subjektive Welten. Vielleicht entstehen daraus Einsichten, die für das je eigene Leben von Bedeutung sind.

Montag, 21. Dezember 2009

Climate Trek: The Next Generation

Anfang Dezember 2009: das Nachrichtenmagazin Focus schreibt über Umweltbewusstsein bei Jugendlichen. Resigniert und unwissend sei die Jugend, heisst es im Artikel. Und - Vorbilder sind nötig. In der Tat. Klimawissen und Anleitungen zum umweltbewussten Verhalten als Ziel - was kann die Schule leisten? Die Lehrenden, die Älteren allgemein, möchte ich einmal dazu auffordern, über eine Frage nachzudenken. Wie war das eigentlich bei mir in der Schule? Welche Themen waren 'Zeitgeist', wichtig, wurden häufig diskutiert? Und welche Haltung hat sich bei mir aus alledem entwickelt? Was wurde mir in der Schule vermittelt und was davon ist wirklich hängen geblieben?
Soweit ich einige Jahrzehnte zurückblicken kann, sind viele grundsätzliche Problembereiche immer noch zentral - so, als hätte sich im Wesentlichen nicht sehr viel verändert. Tatsächlich hat sich dennoch viel verändert. Es ist lange her, seit das Dreiparteiensystem in Deutschland ins Wanken geriet. Es ist lange her, dass der eiserne Vorhang die Spaltung in Ost und West markierte und die Angst vor einem Nuklearkrieg so manchem die Frage aufdrängte: was kann ich für den Frieden tun?
Ich denke, dass man recht schnell zu der Einsicht gelangen kann, dass starke Mächte auf der Welt einen großen Einfluss haben. Und deshalb für eine einzelne Person recht wenig Handlungsspielraum bleibt, sich in irgend einer Form sinnvoll einzusetzen. Ich kann ja sowieso nichts tun - das scheint eine nahe liegende Schlussfolgerung zu sein. Und dann gehen die lebensphilosophischen Wege auseinander... Die einen werden sich am nüchternen Realismus orientieren und die Politik den Politikern, die Ideale den Philosophen überlassen. Andere werden nach Werten fragen, suchen und finden, sich an irgend einer Stelle einsetzen wollen. Und dabei früher oder später mehr oder weniger unsanft doch auf dem Boden der Realität landen. Erkennen, dass es irrsinnig schwer ist, Ideale auch zu verwirklichen, Prinzipien wirklich auch zu leben, wirklich konsequent zu sein. Glaubwürdigkeit... scheitert oft genug an der Realität. An den Grenzen des Menschenmöglichen. Jede Generation wächst mit einem anderen Bewusstsein auf. Kritik am Bestehenden kann destruktive Formen annehmen, sich aber auch langfristig in konstruktiven Bemühungen niederschlagen. Und dafür gibt es sehr viele Möglichkeiten.
Im Focus-Artikel rät Reinhard Schlimm als diplomierter Geograph davon ab, Horrorszenarien im Unterricht zu erörtern. Weltuntergangsstimmung zu vermitteln ist kein sinnvolles pädagogisches Ziel, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sich die Welt entwickeln könnte, dagegen sehr wohl. Volle Zustimmung also von meiner Seite... aber nicht nur das. Den Faden möchte ich noch etwas weiter spinnen.
Der Titel "Climate Trek" ist eine Anspielung an Stark Trek, wie sich vielleicht erkennen lässt.
Ermutigende Kommunikation in der Schule: wie könnte das aussehen? Was kann die Schule leisten, was ist möglich, was können Lehrende, Erwachsene überhaupt, der nächsten Generation mit auf den Weg geben - einer Generation, die sich mit einer furchtbar komplizierten Welt konfrontiert sieht, die voller Bedrohungen und alles andere als 'heil' ist?

Lehrende können Wissen vermitteln. Stimmt, aber das ist zu wenig.
Lehrende können Fertigkeiten vermitteln. Manche zumindest, aber auch das ist zu wenig.
Lehrende vermitteln Wertorientierungen - direkt oder indirekt. Explizit oder 'durch die Blume'. Und hier kommen wir dem Kern des Problems etwas näher....

Wissenschaft kann man nüchtern und sachlich vermitteln, so als sei sie völlig wertneutral. So, als wären philosophische Fragen nicht von Belang, könnten und dürften nicht Gegenstand des Unterrichts sein. Die Klimaforschung ist ein Feld, in dem sich mit aller Deutlichkeit zeigt, dass Wissenschaft eben auch politische Konsequenzen nahe legen kann.
18. Dezember 2009: Stefan Rahmstorf erläutert, was für die Klimakonferenz wichtig wäre. Und - was ist daraus geworden? Nicht viel. Also - Grund genug zum Resignieren. Die Wissenschaft nimmt ja doch keiner ernst. Oder? Machen wir daraus 'nicht viel - noch nicht', sieht die Geschichte schon anders aus. Wie lange hat es gedauert, bis sich die Erkenntnis durchsetzte, dass die Erde eben nicht der Mittelpunkt des Universums ist?

Kleiner Rückblick auf das Jahr 1977: Jimmy Carter, damals Präsident der USA, fordert in seiner Rede vor dem Kongress dazu auf, den Zustand der Welt zu erforschen. 1980 ist dann die erste Auflage erschienen - Global 2000 heißt das Werk, der Bericht an den Präsidenten. Stolze 1508 Seiten dick. Die neueren Ergebnisse zur Klimaforschung sind darin natürlich nicht enthalten - und der Vergleich mit dem damaligen Stand zeigt, wie lange es eben dauern kann, bis Erkenntnisse ausgearbeitet sind. Ob Jimmy Carter den Bericht damals wohl wirklich bis ins Detail gelesen hat?

Zurück zur Frage nach dem, was Schule leisten kann - oder leisten könnte. Wissen zu vermitteln ist wichtig, aber es ist zu wenig. Wer sich mit irgendeiner Wissenschaft näher beschäftigt, kommt im Grunde an der Frage nach dem Sinn von Wissenschaft nicht vorbei. Die Fragen "Warum Wissenschaft betreiben? Warum überhaupt forschen? Und: wozu?" könnten und sollten meiner Ansicht nach durchaus Themen im Unterricht sein. Einsteins Bemerkung, er sei eben leidenschaftlich neugierig, ist dabei ein bemerkenswerter Ansatz. Das Feld der Klimaforschung kann aber noch einen anderen Aspekt deutlich machen: wer sinnvoll handeln will, wer Massstäbe für sinnvolle politische Entscheidungen bekommen will, braucht Information. Und das war wohl auch das Motiv für Jimmy Carter, einen solchen umfangreichen Bericht in Auftrag zu geben.

Wir brauchen Wissen, um handeln zu können.

Dass Einsichten unmittelbar in Handlungen umgesetzt werden, ist dabei allerdings keinesfalls selbstverständlich. Es ist eben nur ein Teil in einem umfassenderen Prozess der Veränderung, der von sehr vielen Faktoren beeinflusst wird. Keine einzige wissenschaftiche Disziplin wird jemals in der Lage sein, alle Fragen im Zusammenhang zu erfassen. Wer die Welt verstehen will, kann und darf sich dabei nicht auf eine einzelne Disziplin beschränken. Interdiszplinäres Denken ist unverzichtbar. Wer etwas verändern will, braucht einen verdammt langen Atem und muss berücksichtigen, dass Entwicklungen in der Wissenschaft, der Gesellschaft, der Politik usw. lange Zeit in Anspruch nehmen können.
Lehrende können Fertigkeiten vermitteln. Mehr als alles andere schätze ich im Rückblick auf meine Schulzeit die Aufgabenstellungen, die auf das eigenständige Erarbeiten von Wissen gerichtet waren.
Dazu gehört auch das Prinzip, Sachverhalte aus verschiedenen Perspektiven zu erörtern, Aussagen näher zu beleuchten, offenen Fragen auf die Spur zu kommen. Das Lernen selbst zu lehren: das kann auch bedeuten, eigene Lernprozesse transparent zu machen, das je eigene Interesse an einer Sache zu thematisieren.
Last, but not least: Werte. Das Leben selbst ist wertvoll. Der 'Trümmerhaufen nach Kopenhagen' wirft ein lebensphilosophisches Grundproblem auf. Wende zum Realismus? "Wer will, dass die Welt bleibt, wie sie ist, der will nicht, dass sie bleibt", schrieb Erich Fried. Wer ganz realistisch betrachtet, wie sie ist, wird erkennen, dass sie nicht bleiben kann, wie sie ist, wenn sie bleiben soll - zumindest als Lebensraum für die Gattung homo sapiens. Wer will, dass sie bleibt, muss auch wollen, dass sich so manches ändert.
Und kann, idealistisch im Geist, pragmatisch im Handeln, nach Möglichkeiten suchen, sich an irgend einer Stelle in sinnvoller Weise für etwas Wertvolles einsetzen. Auch das Nachdenken über das, was sinnvoll sein könnte, auch das Innehalten, Sich-Vorbereiten, das langsame Tasten und Suchen nach einem Feld, in dem sich der Einsatz lohnt, gehören dazu. Die 'Next Generation' auf dem 'Raumschiff Erde' könnte sehr wohl Lösungen finden, die aus dem 'Climate Trek' eine erfolgreiche Mission machen. Lösungen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Vielleicht wird dann das Stichwort 'globale Intelligenz' mehr sein als eine Idee, globale Kooperation als Bedingung des Überlebens eine greifbare Realität.

Literatur:
Global 2000 (1980). Der Bericht an den Präsidenten. Frankfurt am Main: Zweitausendeins.



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2 Kommentare:

  1. Global 2000, - ich hatte den Wälzer auch in meinem Bücherregal. Die riesige Menge an Information wird viele abgeschreckt haben, das Werk zu lesen.
    Bis heute ist die Menschheit nicht gereift. Warum? - Immer noch setzen wir auf Wachstum - Die Bevölkerungsexplosion ist nicht im Griff - Glaube daran, dass die Welt uns "gehört", wir quasi "Gottes Vertreter" repräsentierten.
    Die Realität ist klar, dass dieser Planet schon mit vielen Katastrophen fertig geworden ist. Der Prozess nennt sich "natürliches Gleichgewicht". Natur ist intelligent. Wird es zerstört, beginnt eine Gegenreaktion. Der Menschheit wird keine Alternative gelassen, sich auf dieses Gleichgewicht einzustellen. Wenn nicht, wird sie einfach verschwinden.
    Es gab bereits Kulturen, die das Prinzip verstanden hatten. http://poemetrie.over-blog.de/article-33658114.html


    Ich wünsche ein schönes Weihnachtsfest!
    Mögen wir zur Besinnung kommen.
    Markus

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  2. Hallo Markus,

    von den Indiandern können wir viel lernen...

    Dir auch ein schönes Weihnachtsfest!
    Rolf

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