Psychosophie

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In der Begegnung mit anderen Menschen können wir uns selbst und andere besser verstehen lernen. Wenn wir miteinander sprechen, begegnen sich subjektive Welten. Vielleicht entstehen daraus Einsichten, die für das je eigene Leben von Bedeutung sind.

Montag, 28. Dezember 2009

Ghrelin: Hormone und Essstörungen

Im Normalfall hören wir mit dem Essen auf, wenn wir satt sind. Aber es gibt eben auch Leute, die essen trotzdem weiter. Seit Jahren ist bekannt, dass dabei auch Hormone eine Rolle spielen. Ghrelin ist eines davon, es regt den Appetit an. Die Schlussfolgerung liegt nahe, bei Übergewicht ein Zuviel an Ghrelin zu vermuten, bei Anorexie dagegen einen Mangel.
Der Zusammenhang zwischen Ghrelin und Essverhalten wurde kürzlich erneut untersucht. Dabei durften Mäuse herhalten, weil sie gewisse Ähnlichkeiten mit Menschen haben - zumindest was die Funktionen des Belohnungszentrums im Gehirn betrifft. In einem ersten Versuch hatten Mäuse die Wahl zwischen normalem Futter und sehr fettreichen Kost. Einer Versuchsgruppe wurde Ghrelin verabreicht, der anderen nicht. Die Versuchsgruppe mit Ghrelin bevorzugte deutlich die fettreiche Variante, bei der anderen Gruppe gab es keine Präferenz. In einem zweiten Versuch sollten die Mäuse ihre Nase in ein Loch stecken und bekamen gelegentlich fettreiche Futterbrocken dafür. Blieben die Brocken aus, gaben die Mäuse ohne zusätzliche Ghrelingabe wesentlich schneller auf. Die Forscher interpretieren die Ergebnisse als erhöhten Belohnungswert des Essens durch das Hormon Ghrelin: es wird schwerer, mit dem Essen aufzuhören, wenn fettreiche Kost einen hohen Belohnungswert hat und mit angenehmen Gefühlen verbunden ist. Damit wird auch klar, warum eine erhöhte Menge an Ghrelin auch zu verstärkten Bemühungen führt, noch mehr zu bekommen. Soviel also zur Physiologie. 

Nun ist das menschliche Essverhalten aber nicht nur eine Frage der Hormone, sondern auch von Bewertungen und Beurteilungen, Perspektiven und Selbsteinschätzungen abhängig (siehe dazu: Was beeinflusst unser Essverhalten? Im Blog der Psychotherapie-Praxis Dr. Rose Shaw). Gerade das Wissen um solche physiologischen Zusammenhänge öffnet auch Perspektiven für die Psychotherapie. Das Bemühen um Selbstkontrolle bei Übergewicht ("Versuchungen widerstehen") oder Untergewicht ("Sich ausreichend ernähren auch ohne subjektives Hungergefühl") kann begleitet bzw. ergänzt werden durch eine bewusste Kontrolle des zu hohen bzw. zu geringen Hormonspiegels. Neben der prinzipiellen Möglichkeit, den Ghrelinspiegel medikamentös zu beeinflussen (eine ärztliche Entscheidung) liegt die Interpretation nahe, dass bei Übergewicht der Körper ein falsches (zu hohes) Bedürfnis an Nahrungsmitteln suggeriert und dafür einen hohen Belohnungswert "anbietet". Bei Untergewicht dagegen ist das körperliche Signal "Hunger" zu schwach - Nahrung hat einen zu geringen Belohnungswert. Verstärkt wird die Problematik dann noch, wenn Dünnsein mit einer sehr hohen Einschätzung körperlicher Attraktivität verbunden ist.


Literatur:
Mario Perello, Ichiro Sakata, Shari Birnbaum, Jen-Chieh Chuang, Sherri Osborne-Lawrence, Sherry A. Rovinsky, Jakub Woloszyn, Masashi Yanagisawa, Michael Lutter, Jeffrey M. Zigman. Ghrelin Increases the Rewarding Value of High-Fat Diet in an Orexin-Dependent Manner. Biological Psychiatry, 2009; DOI: 10.1016/j.biopsych.2009.10.030




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